: Gerede ums grüne Partei-Geld
■ Grüne weisen Enthüllungen des Spiegel über Ungereimtheiten ihres Finanz-Gebarens zurück
Gerede ums grüne Partei-Geld
Grüne weisen Enthüllungen des 'Spiegel‘ über Ungereimtheiten ihres Finanz-Gebarens zurück
Aus Bonn Oliver Tolmein
Für erhebliche Unruhe sorgten am Wochenende bei den Grünen Presseberichte über angebliche „Selbstbedienung grüner Spitzenfunktionäre aus der Parteikasse“. Der 'Spiegel‘ beschäftigt sich in seiner heute erscheinenden Nummer vor allem mit grünen Geld-Geschäften aus den Jahren 1986 und 1985. In dem drei Seiten umfassenden Artikel wird der Eindruck erweckt, Bundesgeschäftsführer Walde habe sich mit Geldern persönlich bereichert, die für den Umbau des zur Partei gehörenden Hauses „Wittgenstein“ gedacht waren. Unterstellt wird den Grünen auch, sie hätten die Baukosten für „Wittgenstein“ durch die „serienweise“ Beschäftigung von Aushilfskräften anstelle regulärer Handwerker niedrig gehalten und damit gleichzeitig die Steuer- und Sozialversicherungspflicht umgangen. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Walde, und Schatzmeister Schulz wiesen gestern die gegen sie und die Partei erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. Walde kritisierte, daß der 'Spiegel‘ es nicht einmal für nötig befunden habe, den vage formulierten Vorwürfen auf den Grund zu gehen oder ihre Richtigkeit, beispielsweise anhand der Akten der Geschäftsstelle, zu überprüfen. Statt dessen habe der 'Spiegel‘ in einem interessierten Dunstkreis ein bißchen herumtelefoniert.
In dem Bericht des 'Spiegel‘ wird weiter das frühere Bundes
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Grüne...
Vorstandsmitglied Tost ins Fadenkreuz genommen, weil er 10.000 Mark aus der Parteikasse ausbezahlt bekommen haben soll, ohne dafür Belege vorzulegen. Außerdem behauptet der von der Frankfurter 'Spiegel'-Redaktion verfaßte Bericht, die Zugehörigkeit zu verschiedenen Flügeln entscheide „mitunter auch darüber, wer Geld zurückzahlen muß und wer nicht“. Der Fundamentalist Tost und der Realo Merkel hätten gemeinsam für ein Darlehen über 20.000 Mark gebürgt, aber nur Merkel wäre dann für den Fehlbetrag von 10.000 Mark zur Verantwortung gezogen worden. Dem Bericht zufolge existiert auch eine „Serie von Briefen“ an den Bundesvorstand, in dem sich grüne Funktionsträger darüber beschweren, daß „häufiger Barschecks, manchmal mit Beträgen von mehr als 10.000 Mark, ohne Belege an einzelne Mitglieder gegangen seien.“
Geschäftsführer Walde wies gegenüber der taz auf eine im April 1987 von der AOK turnusgemäß durchgeführte Prüfung der Sozialversicherungsabgaben der Grünen für die letzten drei Jahre hin, bei der keine Unstimmigkeiten zu tage getreten seien. Auch eine Prüfung der Lohnsteuerabgaben der letzten drei Jahre durch das Finanzamt habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Darüberhinaus würden die grünen Finanzen von einem unabhängigen, staatlich vereidigten Wirtschaftsprüfer kontrolliert, der ebenfalls keinen Anlaß zu Beanstandungen gesehen habe.
Das frühere Bundesvorstandsmitglied Lukas Beckmann, auf den sich der 'Spiegel‘ mehrfach beruft, bestätigte zwar einige im Artikel wiedergegebene Zitate. Er habe allerdings nie, wie in dem Artikel wiedergegeben, gesagt: „Das ist ein tiefer Sumpf.“ Die Existenz einer „Serie von Briefen“ wird in der Geschäftsstelle entscheiden bestritten. Noch auf der Bundesversammlung im März sei Schulz von den Mitgliedern unter großem Beifall entlastet worden - da hätte sich keiner der angeblich zahlreichen Kritiker gemeldet.
Der einzige Barscheck über 10.000 Mark sei vor Jahren an Uli Tost gegangen - die Belege dafür seien alle abgegeben worden. Daß zwar Michael Merkel, nicht aber Ulli Tost für die Rückzahlung des vom 'Spiegel‘ angeführten Darlehens herangezogen worden sei, liegt daran, daß Merkel der Darlehensnehmer, Tost dagegen nur der Bürge gewesen sei.
Bei der Überstundenvergütung für Eberhard Walde, die nicht aus der „Baukasse“ - sie gibt es in der behaupteten Form nicht - erstattet worden sei, geht es um einen Betrag von 4.896 Mark für das gesamte Jahr 1986. Walde nennt als Grund für diesen einmaligen Vorgang die erhöhte zusätzliche Belastung durch die Hauptplanungsphase in der sich „Haus Wittgenstein“ damals befunden habe: Er habe damals locker 70 bis 80 Stunden in der Woche gearbeitet.
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