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Noriega tritt zurück - wenn er Präsident wird

■ Putschversuche, Unternehmerstreiks und Wirtschaftsboykott haben die Position des panamaischen Armeechefs nur gestärkt / Jetzt will er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen kandidieren / Sozi

Noriega tritt zurück - wenn er Präsident wird

Putschversuche, Unternehmerstreiks und Wirtschaftsboykott

haben die Position des panamaischen Armeechefs nur gestärkt / Jetzt will er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen

kandidieren / Soziale Unruhen in Panama befürchtet

Aus Panama Ralf Leonhard

Im Büro von Martin Paz, dem Pressekoordinator der Regierung Panamas, hängt eine Karikatur aus dem 'Miami Herald‘: In Mount Rushmore, wo die Köpfe der berühmtesten Präsidenten der USA in den Fels gehauen sind, grinst zwischen Lincoln und Jefferson die steinerne Grimasse General Noriegas hervor.

Davor steht Elliott Abrams, der Staatssekretär im State Department, der für das Debakel der US-Politik in Panama verantwortlich ist. Er wird von einem Berater gefragt: „Denk nach, Elliott, was hast du ihm noch alles versprochen?“.

Die panamaischen Machthaber sehen nicht ohne Schadenfreude, wie der Zusammenbruch der Pressionsmaschinerie Washingtons in den USA aufgearbeitet wird. Putschversuche, Unternehmerstreiks und Sperren der Liquiditätsreserven der panamaischen Nationalbank in den USA haben Noriega nicht nur nicht zu Fall gebracht, sondern seine Position noch gestärkt. Zwar sagte er am Montag, er werde möglicherweise vom Amt des Armeechefs zurücktreten, allerdings nur, um im Mai kommenden Jahres für die Präsidentschaftswahlen zu kandidieren.

Zuletzt hat sich Reagans Unterhändler Michael Kozak am General die Zähne ausgebissen: bevor die USA nicht den neuen Präsidenten Solis Palma anerkennen und Panama für den durch die Sanktionen erwachsenen Schaden Wiedergutmachung leisten, will Noriega seinen Abgang auf keinen Fall zur Diskussion stellen.

Nach Wochen des Chaos ist es der kürzlich nach links zurechtgetrimmten Regierung gelungen, das Leben wieder zu normalisieren. Die Banken sind nach zweimonatiger Schließung wieder geöffnet, das Schuljahr hat am 6.Juni mit dreimonatiger Verspätung begonnen, der Rubel - pardon, der Balboa - rollt wieder. Business as usual in Panama. Der Jahrestag der Enthüllungen des Obersten Diaz Herrera, mit denen im Juni 1987 die Krise losgetreten wurde, verstrich ereignislos. Der im letzten Jahr gefeuerte Generalstabschef hatte Noriega beschuldigt, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein, Fidel Castro und der CIA gleichzeitig Informationen gesteckt und lästige Widersacher beseitigt zu haben. Monatelange Mobilisierungen der Rechtsopposition blieben ohne Erfolg. Der konservative „Bürgerkreuzzug“ hat seit Ende März keine nennenswerte Demonstration mehr gegen General Noriega auf die Beine gebracht. Dennoch bezweifeln viele, daß es der Regierung gelingt, bis zu den für Mai 1989 angesetzten Wahlen über die Runden zu kommen.

„Was soll ich sagen? Nichts kann ich sagen. Aber es hat sich auch nichts beruhigt.“ Guillermo Cochez, stellvertretender Chef der Christdemokraten, ist verärgert. Als seine Partei Ende April mit zu Straßendemonstrationen gegen Noriega aufrief, sprach sich die PPA (Authentische Panamaische Partei), die sich in den Bürgerkreuzzug nie einspannen ließ, für einen konstruktiven Dialog mit dem General aus. Der PPA werden mehr Anhänger zugeschrieben als jeder anderen Partei. Allerdings ist dieses Wählerpotential eng mit der Gestalt des Volkstribuns Arnulfo Arias verknüpft, der 87jährig mit einer Lungenentzündung in Miami liegt, also sich vielleicht in die kommenden Wahlen nicht mehr einschalten kann.

Die gesammelte Rechtsopposition, die gehofft hat, mit tätiger Hilfe Washingtons schnell an die Macht zu kommen, muß sich etwas Neues überlegen: sie hat keine Chancen, die Regierung stürzen zu können, will sich aber auch nicht den Spielregeln Noriegas beugen und lehnt, solange Noriega Armeechef bleibt, Wahlen ab. So hört man allenthalben kryptische Orakelsprüche über bevorstehende soziale Explosionen.

In der Tat birgt die Bilanz von drei Monaten Wirtschaftsboykott der USA, der als Multiplikator auf die Auswirkungen der normalen Misere wirkt, enorme soziale Sprengkraft: zu den 182.500 vor der Krise als arbeitslos gemeldeten Panamaern sind noch rund 70.000 dazugekommen. Das Baugewerbe, der stärkste Industriezweig und Motor der Binnenwirtschaft, steht praktisch still. Jedes dritte Unternehmen - vor allem die kleinen und mittleren - hat dicht gemacht.

Im Zweieinhalb-Millionen-Staat Panama versorgt die katholische Caritas 70.000 Menschen durch Speisungen. Das nationale Komitee des Roten Kreuzes hat um Hilfe für weitere 75.000 ersucht.

Die Regierung will in den nächsten Wochen rund 20.000 Angestellte aus dem aufgeblähten Staatsapparat traditionell zuverlässigste Basis - entlassen. Doch gibt es keine Anzeichen dafür, daß die Gewerkschaften und Bauernverbände, die mit Noriega und den Militärs ein taktisches Bündnis gegen die Oligarchie geschlossen haben, die Seite wechseln.

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