: Denkt an unsere blaue Ägäis
■ Proteste gegen den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Özal in Athen / Beteiligung unterschiedlichster politischer Lager / "Schickt den Faschisten heim"
Denkt an unsere blaue Ägäis
Proteste gegen den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Özal in Athen / Beteiligung unterschiedlichster politischer Lager / „Schickt den Faschisten heim“
Aus Athen Cornelia Boge
„Zu Hause schlachtet er die Kommunisten, Kurden und Armenier ab, und hier soll's um Völkerfreundschaft gehen. Schande!“ Wenige Meter weiter wird eine rote Flagge mit Halbmond angezündet, während vor dem Denkmal des Revolutionsführers Kolokotroni die griechische und kurdische Fahne gehißt wird. „Wir lassen nicht zu, daß Özal sich hier auf der Akropolis fotografieren läßt“, sagt eine Zypriotin. Wenige Tage zuvor schon hatten zypriotische Frauen versucht, die Akropolis abzuriegeln. Sie waren von der entschlossenen Übermacht der Staatsschützer auseinandergetrieben, zu Boden gestoßen und geschlagen worden.
Seit am Montag der Ministerpräsident der Türkei Turgut Özal zum ersten türkischen Staatsbesuch seit 38 Jahren in Athen eingetroffen ist, kennen die Medien kein anderes Thema mehr. Athen brodelt. Eine Vielzahl unterschiedlichster Kundgebungen begleitete den dreitägigen Staatsbesuch'der gestern abend zu Ende ging. Spektakuläre Bündnisse von Parteien und unterschiedlichen politischen Lagern angefangen bei Popen, politischen Flüchtlingen, Popstars bis hin zu Punks und Polizisten formierten sich anläßlich des „historischen Ereignisses“ zu Protestaktionen. 1O.OOO Polizisten, darunter Scharfschützen-Spezialkommandos, Marineschnellboote mit Hunderten von Froschmännern bewachten die offiziellen Veranstaltungen des Staatsbesuchs.
„Effendi go home“ skandierten Sprechchöre am Dienstag in der Nähe der türkischen Botschaft. Ein Hobbyfunker schaltete sich in den offiziellen Polizeifunk mit der Parole „Denkt an unsere blaue Ägäis“ und forderte die „Kollegen“ auf, „es dem Mongolen mal zu zeigen“. In der Nähe der Akropolis bildete sich eine Art Trauerzug schwarzgekleideter Männer und Frauen, die Bilder ihrer im Zypernkrieg vermißten Verwandten trugen und auf Transparenten Aufklärung über ihr Schicksal forderten. Viele weinten.
„Solange 40 Prozent von Zypern durch 'Attila‘ (Code-Name der türkischen Invasionstruppe auf Zypern, die Red.) besetzt sind und das Schicksal von drei- bis fünftausend Inselgriechen und Zyprioten ungeklärt ist, solange jede Woche unser Luftraum von türkischen Militärs verletzt und das griechische Hoheitsgebiet in der Ägäis von der Türkei in Zweifel gezogen wird - solange gibt's überhaupt nichts zu besprechen“, faßt einer der Teilnehmer an der Kundgebung des „Komitees gegen den Özal-Besuch“ zusammen. Dann applaudiert der Demonstrant einem Redner, der seine Landsleute auffordert, keine wertvolle Devisen-Drachme mehr ins Heimatland der Besatzer zu tragen.
Özal, der seine Gespräche mit Papandreou am Dienstagabend fortsetzte, versicherte vor der Presse: „Ich glaube aufrichtig daran, daß wir unsere Probleme lösen können“. Dazu werde jedoch ein langer Zeitraum notwendig sein. Özal bot den Griechen türkischer Abstammung, die in den letzten Jahren Istanbul verlassen haben, an, zurückzukehren. Außerdem versicherte er, die Türkei unterstütze Greichenlands Kandidatur für die Jubiläumsolympiade 1996.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen