ÄÄÄÄÄ...OOUU...EEYY

■ Wolf Maahn im Quartier Latin

Von manchen Leuten kommt man nicht oder nur sehr zäh los. In irgendeiner schwachen Minute hat man ihnen sein Herz geschenkt und will das später nicht über den Jordan werfen, auch wenn man beim besten Willen nicht mehr verstehen kann, was man jemals an ihnen fand. Was immer sie tun, es läßt einen nicht kalt. Da sie ein Teil des eigenen Lebens geworden sind, fühlt man sich verantwortlich, es geht einem quer und quälend runter, wenn sie die Pfade der Furchtbarkeit beschreiten, man schämt sich in die letzte Ecke für sie, aber man lässt sie nicht fallen. Aber mit einer blöden romantischen Hoffnung im Kopf dackelt man, Döskopp der man ist, immer wieder zu ihnen hin.

Wolf Maahn ist so ein Vertreter. Vor zehn Jahren machte er die Food Band, Westcoast zwar, aber immerhin nicht deutsch, später die Deserteure, deutsch , aber nicht brachial und dumpf, sondern so elegant, daß man sie mit Roxy Music auf Tour schickte. 1984 im Quasimodo stand Maahn grundsympathisch auf der Bühne, machte seine Sache gut und sich nicht damit wichtig, und sein Die Sucht der Träumer legte nahe, daß er kein Schnickschnacksack sei, sondern dem „richtigen“, dem „echten“ Leben hinterherjage. Ein und zwei Jahre später im Quartier produzierte er sich zusehends unangenehmer als Botschaftenaufsager und -absinger, machte den öden Rocker und Springsteenologen, und wenn er auch immer noch über die musikalischste Band im Bereich der Aufdeutschsingerei verfügte, so war doch spätestens mit dem Zweizeiler Ooh ooh Tschernobyl/ das letzte Signal vor dem Overkill klar, daß dieser Mann nicht mehr recht bei Trost und Verstand sein könne.

Man hätte es also wissen können oder müssen, wenn man es hätte wissen wollen; Dennoch fand ich mich am Mittwochabend treu und brav im Quartier ein, schließlich hatte Maahn die Deserteure in der Zwischenzeit geschmissen. Third Language heißt sein neues Kind.

Doch oh weh mir und weia! Was mußte ich sehen? Auf einem roten Spanntuch Schwarzgemaltes so zwischen Rune und Japan, drei Strichelchen, ein Dreieck, ein Kreis, Reich der Zeichen und alles, perfekt für unsere franko- bzw. asiatophilen Mitbürger. Davor Wolf Maahn, der schlimmer denn je mit den Fingern in der Luft herumschnackelte und allerlei lächerliche und uninteressante Posen vollführte, seine Gitarre herumschwenkte und seiner Vorliebe für den unartikulierten Schrei ungebremsten Lauf ließ. Besonders unangenehm, daß er nach jedem ÄÄÄÄ, OOUU oder EEYY sein Mikrophon ins Publikum richtete und allen Ernstes erwartete, wir würden nun trostlos zurückgrölen. Taten wir aber nicht, und so ließ er es dann mit ein paar gescheiterten Freizeitanimationsversuchen bewenden. Seine Texte konnten damit nicht versöhnen, Torheiten wie Hands that we don't shake/Friends that we don't make sind auch mit dem Dämon des manischen Reimzwanges nicht mehr als Patzer entschuldbar. Die Bewegungen des Trommlers hätten auf einem Videomonitor sehr beeindruckend gewirkt, flink schnellte er die Sticks durch die Finger und schlug wie schwerbedeutungslastend donnernd auf sein teures Equipment ein, groovte zum Ausgleich dafür aber nicht das Böhnchen. Gitarrenbetonter, mächtig dröhnender, auf „Internationalen Standard“ gepushter Poprock mit dickem Pathos und Texten mit dem Holzkeulencharme des Engagiertseins. Wenn Wolf Maahn (weiß) über Namibia (Neger) singt, dann ist das die Fortführung des Kolonialismus mit unterhaltungsindustriellen Mitteln.

Potpourris klingen noch an, das deutsche Liedgut will weggesungen sein, Gib mir das Fieber zurück, das alte Fieber zurück! 'fleht Maahn, dabei hatte nie mehr als allenfalls leicht erhöhte Temperatur. Auch als Blinder Passagier kommt er uns noch, immerhin entdeckte er diese Rolle ein paar Jahre eher als 1987 zeitgleich Reiser und Mitteregger, Zwischendrin gibt er immer wieder Einschneidendes wie Coca Cola und Atomkraftwerke usw. eidendes wie Coca Cola und Atomkraftwerke usw. von sich, das pflichtgemäß abgesondert wird, um den Gesinnungsbonus einzuheimsen. Allein Gitarrist Axel Heilhecker gibt in dieser Plattfischveranstaltung noch Fragen und Rätsel auf. Was sucht ein Gitarrist, der mit zwei Tönen Bilder schaffen und Geschichten erzählen kann, bei so einem Haudraufundschlußmusikanten und Trendschlingel wie Maahn?

wiglaf droste