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Japan-Image-Import

■ Künstleraustausch Berlin-Tokio in 11 Galerien

Ein Gedicht aus dem 8. Jahrhundert soll sich bis heute überliefert haben, weil es dem Verständnis erfolgreich Widerstand geleistet habe. Im 8. Jahrhundert hat ein Zen -Mönch das „vielleicht erste abstrakte Bild überhaupt“ gemalt, und zwar in Form von ungegenständlichen Linien und der Aufschrift „Was ist das?“. Und „natürlich gehört dies zu den Zen-Paradoxien“.

Insgesamt hört man merkwürdige Sachen vom Japaner und deshalb ist man vorsichtig mit einer Meinung. Moderne japanische Kunst zu verstehen traut man sich gleich gar nicht zu. (Wo man noch nicht mal den Ami-Minimalismus immer begreift, der dagegen doch ziemlich einfältig sein muß.)

„Das Adjektiv ist eine Beleidigung des Begriffs.“ Der Satz ist gut (aus Sans Soleil). Wenn man „Boot“ sagt, muß das „sturmumtoste“ enthalten sein. Aber woran denkt der Japaner bei „Welle“?

Der japanische Neo-Dadaismus der Gutai-Gruppe („Konkret“) in den Sechzigern scherte sich nicht um die Provokation kleiner Bürger, es ging dabei um „Materialerfahrung“. Kazuo Shiraga machte diese 1955 mit einer Schlammperformance. Mittlerweile bevorzugt Shiraga (bei Nothelfer) wieder konventionelles Malmittel: Ölfarbe, zen-timeterdick zu Schlammlandschaften modelliert. Seit 1956 bleibt er seinem Markenzeichen treu und praktiziert das kühne Foot-Painting. So beeindruckend die wilden Wülste und bunten Ballungen zunächst sind: das verstehen wir.

Kunstgeschichte. Noch einer, Masaaki Yamada (bei Springer) ist sicher ein Held der „all-over„-Abstraktion. Seine Muster aus sanften Farben in einem Raster kreuzförmiger Zentren ließen sich umstandslos in die Wachstuch-und Gardinenstoffkollektion der 50/60er integrieren, als die Zero-Leute hier die Einnahmequelle „Gebrauchskunst“ rehabilitierten. „Und ich befinde mich zur Zeit wohl in der Phase, durch Kreuze die Orte in ihrer Tiefe bestätigen, der Illusion Ausdruck und Farben zu geben“, sagt Yamada und hat wieder spielend ein Stäbchen gewonnen. Aus dem biegt er eine sauschwere Eisenspirale (das verstehen wir auch, weshalb man sich fragt, was das gekostet haben muß, die aus Japan und so. Den Transport der Kunstobjekte aus Japan finanzierte die Tageszeitung 'Asahi Shimbun‘, den Austausch das Goethe -Institut).

Verständnisprobleme gibt's scheinbar auch keine bei Go Shigi (bei Poll), der seriell rumfotografiert und die absichtslosen Resultate malerisch bearbeitet, „eben ohne Zweck“. („Es kann auch nur lauter Konsumieren sein.“) Die Deutungen des Realismus müßten besonders fragwürdig sein dieses weiße Licht auf den Badenden im blitzkriegartig erstarrten Wasserspiegel. Aber vielleicht ist das Licht dort so, und Frauenhaut ist Porzellan.

Den zeitgenössischen Ungestüm verkörpert Tadanori Yokoo (bei Menzel) als „ein Gefangener der Sinne“. Er ist bekennerisch subjektiv und stellt die Grundfrage „Was ist eigentlich Stil?“. Gegen Minimalismen jedenfalls ist er so gefeit. Die (europäischen) Klassiker flechten sich als Leinwandstreifen durch die ohnehin schon dramatischen Szenarien. „Rubens an sich befriedigt mich nicht“ - ja wen tut das schon. Nichtsdestoweniger ist das Bild in seiner wie mit Peitschenstriemen aufgeteilten Oberfläche unverwüstlich. Im Sonnenuntergang und aufmontierten Seidenrosen zeigt der Japaner keinen Schmerz, schon gar nicht wenn man wie Yokoo mit den kitschknalligsten Postern der 60/70er (Spitzenausstellung 1985 im Bethanien) gezeigt hat, welch unschätzbare Kompatibilität die Insignien der Gefühle haben

-sofern man sie sieht.

Am Grenzübergang vom gegenständlichen Erkennen läßt sich das Alphabet von Kumi Sugai (bei Brusberg) noch entziffern. Verkehrszeichen mit differenzierten Botschaften: „Vorsicht unangenehme Abgaswölkchen in der Senkung“ oder „Die Pfützen auf dieser Straße spiegeln den Himmel wieder“. „Setzen Sie eine Würfelrunde aus.“ Die Idee für Spielkarten liegt nahe, und auf ihnen bändelt die Geisha mit Lissitzky an. Als sei die Liebe zur Geometrie und zum Konstruktivismus nicht immer schon im roten Kreis auf weißem Grund festgeschrieben gewesen. Im übrigen ist Tapies (bei Brusberg) natürlich viel authentischer als Japaner. Tapies spart an Farb- und Pinselspuren, Sugai an Bedeutungsballast. Optische Täuschung?

Sowas macht der Japaner selten. Eher geht's um das Ding, das Material an sich: die Teekruste in der Kanne und das unvermeidliche handgeschöpfte Papier. Hisashi Momose (bei Pels-Leusden) legt ein solches Silberhäutchen über seine computerberechneten (heißt es) Spektralfarbfelder, auf daß die ansonsten recht banalen Farbtafeln wie Perlmutt zu schimmern beginnen. Sehr effektvoll. Die Handschöpfungsgeschichte vom Oberflächenreiz aus vertiefend, streckt Shoichi Ida (bei Dinkler) seine Papiermasse mit Erde aus seinem Garten. Ästchen, Käferbeine, Steine sind in die Textur der Oberfläche eingebettet (endlich die erwarteten Stoffbilder), die, dadurch plastisch, zum Zwischenraum wird. „Surface is the Between“ hieß eine seiner Serien, in dem Ida auf beide Seiten eines Papieres das Bild eines Steines gedruckt hat. Das Papier ist nicht Unterlage, sondern „Berührungsfeld“ der Images.

Ein bloßes Fleißgeflecht aus schwarzen Ölfarbepartikeln und -fäden schichtet Tomoharu Murakami (bei Zellermayer) penibel auf seine schwarzen Bildquadrate. Asche, Lava, Pelz mehrere Jahre spachtelt der Künstler an diesen monochromen Finsternissen, „um sein Selbst aufzulösen und der Wahrheit näherzukommen“. Die Zeit haben wir natürlich nicht. Vom Wind der „zügellos tobenden Pinselstriche“ in die siebentonnige Schwere von Findlingen und Eisenplatten zieht Lee Ufan (bei Dreher), Protagonist der „Mono-Ha“ (Ding-Gruppe), die sich viel mit unverarbeitenen Materialien befaßte. Das Rätsel Natur verdichtet sich in einer Dreierbeziehung zwischen dem Künstler und etwas „von außen“ zum Werk, wird sichtbar, aber nicht greifbar.

Ebenfalls dieser Ding-Gruppe zuzuordnen ist Kishio Suga (Off-Galerie). Getreu seinem Motto: „Das Ding ist das Gesamte eines Raumes“ installiert er spitzfindig materialisierte Denkaufgaben.

Von Bedeutungsabgründen befreit wirken die bunten Drachengebilde von Yoshio Kitayama (ebenfalls effektvoll bei Pels-Leusden). Allein die wahnsinnige Bastelei aus hauchdünnen Bambusästchen, Blättern, Lederflicken, Bleiplättchen und Kupferdraht ist sehr ergötzlich. „Was müssen da für winzige Finger am Werk gewesen sein.“

Zum Ausknocken, damit man wieder weiß, daß man nichts begriffen hat: Yutaka Matsuzawa (bei Wewerka). Sätze wie „Alles ist zum Vergehen bestimmt, Ihr Schwäne, Ihr Schwäne“ zu einer Fotografie, auf der ein Mann mit erhobenen Händen zu zwei Schwänen spricht. Ein „Antizivilisationsausschuß“ verkündet „Gehen wir, gehen wir (Gyatei-Gyatei)“ auf einer meterbreiten weißseidigen Schriftrolle. Über „Geheimrituale“ spricht man nicht. Japanischer Konzeptualismus ist irritierender als Mikado für Kurzsichtige. „Pearl Harbour ist auch nur ein Hafen“ (Japanisches Sprichwort).

Vogel

Brusberg, Kudamm 213, bis 25.6.

Dinkler, Niebuhrstr. 77, bis 25.6.

Dreher, Pfalzburger 80, bis 18.6.

Menzel, Knesebeck 20-21, bis 18.6.

Nothelfer, Uhlandstr. 184, bis Ende Juni

Off-Galerie, Pariser Str. 62, bis25.6.

Pels-Leusden, Fasanenstr.25, bis 20.6.

Poll, Lützowpl. 7, bis 30.6.

Springer, Fasanenstr.13, bis Ende Juni Wewerka, Pariser Str. 63, bis 2.7.

Zellermayer, Ludwigkirchstr. 14, bis 25.6.

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