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Hunderttausende streikten in Südafrika

■ Am zwölften Jahrestag des Beginns der Massaker von Soweto waren die weißen Stadtzentren gelähmt / Bundespräsident von Weizsäcker empfing erstmals Oliver Tambo vom verbotenen „Afrikanischen Nationalkongreß“ / EG plädiert für Gnade für die „Sechs von Sharpeville“

Johannesburg/Bonn (afp) - Die weißen Stadtzentren Südafrikas, allen voran Johannesburg, waren am Donnerstag durch den Streik von Hunderttausenden von schwarzen Arbeitern gelähmt, die an den Ausbruch der Unruhen von Soweto vor zwölf Jahren erinnern wollten. Am 16. Juni 1976 hatten in dem schwarzen Wohnghetto bei Johannesburg Polizisten in eine Schülerdemonstration geschossen, die gegen die Einführung des aus dem Niederländischen abgeleiteten Afrikaans als Unterrichtsfach protestierten. Bei den folgenden Unruhen kamen nach amtlichen Angaben innerhalb von 15 Monaten 575 Menschen, meist schwarze Schüler, ums Leben.

Der größte gemeldete Zwischenfall war am Donnerstag die Explosion einer Bombe in Wynberg, einem Vorort von Kapstadt, bei der eine Person, nach Angaben der Polizei vermutlich der Bombenleger selbst, ums Leben kam. In den Straßen der Städte, auch in Soweto, hielt sich die Polizei im Hintergrund, berichteten Augenzeugen.

Nach Angaben der Arbeitgeber war die Streikbeteiligung bei den Eisenbahnen und Überlandbuslinien besonders hoch. Nicht alle, die der Arbeit fernblieben, waren jedoch im Ausstand. Einige Unternehmen hatten am Donnerstag ihren schwarzen Arbeitern bezahlten oder unbezahlten Urlaub gewährt und damit indirekt die politische Bedeutung des Jahrestages anerkannt.

Die Anti-Apartheid-Bewegung feierte den Jahrestag unter dem zum dritten Mal verlängerten Ausnahmerecht zumeist im Schutze der Kirchen. In Kapstadt, Johannesburg und Soweto versammelten sich Tausende von Gläubigen, um teilweise in Anwesenheit von Angehörigen der Opfer an das Blutbad zu erinnern. Bundespräsident von Weizsäcker hat am Donnerstag erstmals den Chef des in Südafrika verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses, Oliver Tambo, zu einer einstündigen Aussprache über die Lage empfangen. Einzelheiten wurden vom Präsidialamt nicht mitgeteilt.

Am selben Tag überreichte der Bonner Botschafter in Pretoria dem stellvertretenden Außenminister Südafrikas im Namen der zwölf EG-Außenamtschefs eine Erklärung zugunsten der „Sechs von Sharpeville“, teilte das Auswärtige Amt mit. CDU-Generalsekretär Geißler unterrichtete den südafrikanischen Missionschef in Bonn vom Beschluß des CDU -Bundesparteitags, in dem Staatspräsident Botha aufgefordert wurde, einem erneuten Gnadengesuch stattzugeben. Die drohende Hinrichtung ist bis zum 19. Juli ausgesetzt.

Sechs Personen sind am Donnerstag abend bei einer Anti -Apartheid-Demonstration in London verhaftet worden. Die Organisatoren der Protestaktion berichteten, die Londoner Polizei sei grundlos und ohne Ankündigung gegen die Demonstration vorgegangen.

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