Modernisierung wie im wilden Westen

■ Ein Geschäftsleute-Trio aus dem schleswig-holsteinischen Neumünster, Besitzer des Immobilien-Konglomerats DATA-Domizil, führt mit brachialen Methoden Wohnungsmodernisierungen in Berlin durch / Mit unzulässigen Rechnungen werden Modernisierungszuschläge hochgetrieben / Ermittlungen wegen Schwarzarbeit

Friedenau, Rheinstraße 5: Ein schmales, schon etwas heruntergekommenes altes Haus mit engem Hinterhof. Studenten und ein paar alte Leute wohnten darin. Anfang 1983 kauften es drei bis dahin in Berlin unbekannte Herren: Kluge, Schnelle und Truschkowski. Es sind Geschäftsleute aus Neumünster in Schleswig-Holstein. Ihnen gehört die Hausverwaltung mit dem inzwischen bei Berliner Mietern berüchtigten Namen: DATA-Domizil.

Dieser Hausverwaltung werden Wild-West-Methoden, Beschäftigung von Schwarzarbeitern, Pfusch am Bau und unkorrekte Abrechnungen vorgeworfen.

Zum Beispiel in der Rheinstraße 5: Das Haus hatte vorher der Geschäftsführerin der COMBAU gehört, die als Abräumerin alter Häuser gefürchtet war. Mit der DATA kamen die Mieter vom Regen in die Traufe: Das Haus wurde mit teils recht brachialen Methoden privat modernisiert. Mieter klagten über unangekündigte Bauarbeiten und Kellerabrisse. Die DATA setzte die Modernisierung vor Gericht durch. Die Miete stieg auf 400 DM kalt für eine Ein-Zimmer-Wohnung. Heute wohnen nur noch wenige der alten Mieter in dem Haus.

Einige wandten sich an die Mietpreisstelle. Mit Erfolg: Die Widerspruchsstelle des Bausenators kappte den Modernisierungszuschlag auf 4,30 DM pro Quadratmeter, da die DATA unzulässige Rechnungen eingereicht hatte, um die Modernisierungskosten zu belegen. So wurde ein Kostenvoranschlag der Gasag über 8.193 Mark als Rechnung verwendet. Die Firma, die tatsächlich die Gasleitung legte, verlangte nur 986 Mark. Auch sonst wurde mehr berechnet als gebaut.

Inzwischen ist die DATA vorsichtiger geworden, aber die Klagen der Mieter reißen nicht ab. Gut 40 Häuser, die meisten davon Altbauten, hat nach Angaben von Kluge das Trio aus Neumünster bisher gekauft, über zehn in Neukölln, wo in fünf Häusern gleichzeitig gebaut wird, viele in Schöneberg, Kreuzberg und Wedding.

Zum Beispiel die Fehmarner Straße 15, ein durchschnittliches Weddinger Altbauhaus. Die „Allfina“, der das Haus bis zum November 1987 gehörte, hatte das Haus systematisch heruntergewirtschaftet. „So darf man mit einem Haus nicht umgehen“, empört sich der sonst vorsichtige Weddinger Baustadtrat Lüdtke (SPD). Die Allfina bekam keine öffentlichen Mittel zur Modernisierung, da sie kein Sozialplanverfahren wollte, dafür aber ein Bußgeld von 57.000 Mark wegen ungenehmigten Leerstands. Nachdem die verbliebenen Mieter von dem ewigen Hin und Her schon ziemlich genervt waren, fing die DATA an zu modernisieren, offenbar zu so großer Erleichterung der Wohnungsbaukreditanstalt, daß sie den vorzeitigen Baubeginn genehmigte - Monate, bevor die erste Mieterversammlung war und bevor die Besitzverhältnisse klar waren: Im März '88 scheiterte der Versuch der Mieter, die DATA per einstweiliger Anordnung zu bewegen, das abgestellte Gas wieder anzuschließen, daran, daß die entsprechende BGB -Gesellschaft noch gar nicht im Grundbuch eingetragen war. Inzwischen ist das Gas wieder angestellt.

Die Bauarbeiter stiefeln durch den Hof, Gasflaschen und Zementsäcke haben die Fliederbüsche zerdrückt, das Treppenhaus ist mit weißem Staub überzogen. „Die Bauarbeiter haben die Keller aufgebrochen“, empört sich ein Mieter des Seitenflügels. Folge: Briketts sind gestohlen worden. Auch in eine der noch belegten Wohnungen, deren Mieter Arbeiter nicht hereinläßt, wurde versucht, einzubrechen - von Unbekannt, versteht sich. Obwohl im Vorderhaus Leute wohnten, stemmten Arbeiter dort Boden und Decken von Speisekammern und Toiletten auf. Die Bewohner klagten über Gestank und Ungeziefer.

„Wir müssen zusehen, daß wir mit dem Bau schnell fertig werden, schon damit wir die verbliebenen Mieter in die fertigen Wohnungen umsetzen und dann dort weiterbauen können“, rechtfertigt sich DATA-Prokurist Michael Kluge. Die Kellerabrisse habe man eine Woche vorher per Aushang angekündigt. Man müsse halt, wenn nur noch ein Mieter in einem sonst leeren Strang sitzt, den überreden, die Bauarbeiter hereinzulassen. Wie das aussehen kann, zeigt der Fall eines türkischen Ehepaares aus der Merseburger Straße 4 in Schöneberg, ebenfalls ein DATA-Haus: Gegenüber der Mieterberatung SPAS beklagten sie sich, sie seien von Bauarbeitern beschimpft worden, doch abzuhauen. Schließlich zogen sie aus. Am Tag der Schlüsselübergabe kam die Frau nach Hause und sah, daß in die Wohnung eingebrochen worden war. Bauarbeiten hatten begonnen. Ihr Mann erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt, die eingestellt werden mußte. In der Wohnung sei nichts von Wert gewesen, sagt Kluge hierzu, die Bauarbeiter hätten es eilig gehabt, und die Frau hätte den Schlüssel eher bringen müssen.

Mietern das Gas abgestellt

Neuestes Problemhaus ist die Ecke Erdmannstraße7/Langenscheidtstraße 6,6a, seit einigen Monaten im Bau. Der Leiter der Schöneberger Sanierungsverwaltungsstelle, Kunst, hat schon die ersten Beschwerden auf seinem Schreibtisch: Mietern wurde das Gas abgestellt. Die beiden Häuser haben schon lange keine guten Zeiten mehr gesehen: Der Zehlendorfer Steuerberater Frank Fischer und sein Kompagnon Manfred Semmer haben sie 1984 zusammen mit acht anderen Altbauten im damaligen Sanierungserwartungsgebiet rund um den Kleistpark von der Neuen Heimat gekauft, um sie mit öffentlichen Geldern zu modernisieren. Dafür gab es sogar eine halbe Zusage aus der Senatsbauverwaltung. Aber der Bezirk stellte sich quer. Fischer und Semmer verkauften wieder, die Langenscheidt 6,6a und die Erdmann 7 an die entsprechenden BGB-Gesellschaften des Trios aus Neumünster, wobei Frank Fischer beteiligt blieb. Nach jahrelanger Unsicherheit für die Mieter fließen nun doch öffentliche Mittel in die Ecke am Crellekiez.

Unklare Verhältnisse verunsichern auch andere DATA-Mieter, so in der Gitschiner Straße 87/87a, wo die DATA mit der Entrümpelung und dem Abriß von Öfen anfing, noch während sie mit dem als sehr eigenwillig geltenden Voreigentümer Schubert über den Kaufpreis verhandelte und zwischendurch gar die Hausverwaltung wieder niederlegte. Ebenfalls in Kreuzberg ist die Zossener Straße 19, wo es die DATA mit dem Modernisierungsantrag so eilig hatte, daß sie ihn stellte, bevor die BGB-Gesellschaft laut Grundbuch Eigentümerin war. Die Kontonummer mußte sie nachreichen.

Die DATA verwaltet noch mehr Häuser: Die Wrangelstraße 49in Kreuzberg, wo nach der teuren Privatmodernisierung die meisten Mieter auszogen, die Wartburgstraße 5in Schöneberg, noch nicht im Bau, und die Fidicinstraße 17in Kreuzberg. Die kauften Kluge, Schnelle und Truschkowski von Jakobeit, ebenfalls einer Rakete am Berliner Sanierungshimmel, inzwischen allerdings Pleite gegangen, vielleicht deswegen, weil die DATA für das Haus im Sanierungsgebiet Chamissoplatz unter den wachsamen Augen der Kreuzberger Sanierungsverwaltungsstelle nur den Verkehrswert zahlen durfte, Jakobeit also nichts verdienen konnte. Auch dort beschwerten sich die Mieter über Abrisse von Kachelöfen und Kellern. Umzugsgelder und Mietminderungen seien schleppend ausgezahlt worden. An anderer Stelle langt die DATA zu, wo es möglich ist: Für '88 wurde eine Mieterhöhung verschickt, die nach Ansicht der Mieterberatung SPAS rechtswidrig ist. Die SPAS wandte sich an die Mieter, daraufhin drohte die DATA ihr Regreß an. Bereits zuvor hatte SPAS-Mitarbeiter Bohne Pfusch am Bau der WBK gemeldet, die daraufhin die Auszahlung der letzten 30 Prozent der Fördermittel stoppte. Neue Fenster seien teilweise nicht eingebaut, das Dach unsachgemäß geflickt worden, stellten die WBK-Prüfer fest. Insgesamt hatten sie den Eindruck einer „schlampigen Bauausführung“. Die DATA besserte nach. Auch mit der Abrechnung ist Bohne zufrieden: Die DATA hat den Einbau von Bädern als Modernisierung abgerechnet, obwohl teilweise schon Bäder in den Wohnungen waren, wenn auch, wie Kluge sagt, in schlechtem Zustand. Rechnungen an die WBK seien teilweise nicht nachprüfbar gewesen, erklärte Bohne: So sei für die Elektroarbeiten lediglich die Menge der Steckdosen, des Kabels und der Arbeitsstunden pro Haus angegeben gewesen, nicht die Menge pro Wohnung.

„Importierte“ Bauarbeiter

Die Mieter der Fidicinstraße 17 klagen wie die in der Fehmarner Straße 15 über Baulärm bis spätabends. Die DATA beschäftigt hauptsächlich Bauarbeiter aus Schleswig -Holstein, denn dort, so Kluge, liegt das Lohnniveau deutlich unter dem in Berlin. Und die müssen bis abends arbeiten, um dafür übers lange Wochenende nach Hause fahren zu können. Einige Mieter hatten Polizei und Gewerbeaufsicht auf polnische Arbeiter, die auf verschiedenen DATA -Baustellen eingesetzt sind, aufmerksam gemacht. Aber die Beschäftigung von Schwarzarbeitern weist Kluge weit von sich: Man habe Polen - angemeldet und versichert eingestellt, weil man bestimmte Facharbeiter hier nicht bekomme, zum Beispiel Stukkateure. „Die kriegen Sie sonst höchstens noch in der DDR.“ Den Verdacht der Justizbehörden vermochte dieses Argument offensichtlich nicht zu zerstreuen. Im Zusammenhang mit der DATA gibt es ein umfangreiches Ermittlungsverfahren wegen Schwarzarbeit, wie Justizsprecher Christoffel mitteilte.

Viele Mieter mißtrauen der DATA inzwischen grundsätzlich, so in der Donaustraße 49/50, wo die DATA sich schließlich verpflichtet, die Mietsteigerung nach der Modernisierung 17 Jahre lang auf 20 Pfennig pro Quadratmeter zu begrenzen, um überhaupt die Mieter dazu zu bewegen, ihr Einverständnis zur Modernisierung zu geben. Der Leiter der Sanierungsverwaltungsstelle, von Bülow, hatte längere Zeit mit diesem „schwierigen Haus“, wie er es vorsichtig formuliert, zu tun. Einige Mieter befürchteten, die Vereinbarung sei so abgefaßt, daß bei einem Verkauf des Hauses der nächste Eigentümer nicht mehr daran gebunden sei. Die DATA hingegen erklärte, sie wolle grundsätzlich nicht verkaufen. Ab und zu wohl doch: Die Rheinstraße 5 hat seit Anfang '88 einen neuen Besitzer.

Mißtrauische Mieter hat die DATA nicht so gerne: So machte sie in der 'BZ‘ schon Schlagzeilen, als sie einer Erzieherin einen Mietvertrag für eine Wohnung in der Schöneweiderstraße 2 in Neukölln verweigerte. Grund: Leute mit solchen Berufen würden immer nur meckern. Wer zuviel meckert, aber schon da wohnt, kriegt massiven Ärger: So wurden in der Fehmarner Straße 15 und in der Fidicinstraße 17 je ein Mieter gekündigt: Der eine hatte sich in einem Leserbrief an das 'Mieter-Magazin‘ über die DATA beschwert. Die DATA zeigte ihn außerdem wegen Beleidigung an. Vom anderen fühlte sich die DATA beleidigt: Er hatte ihr „provinzielle Raffgier“ vorgeworfen. Der Kommentar des Mieterberaters: „Was heißt hier provinziell?“

Eva Schweitzer