: Business as usual
■ Mit angeheuerten Streikbrechern nahmen die Kaufhäuser dem Streik für den Erhalt des Ladenschlusses die Wirkung / 5.000 traten ganztägig in den Ausstand
Geplant war der Streik der VerkäuferInnen gegen den von der Bundesregierung gewollten Dienstleistungsabend nur bis 13.00 Uhr. Als aber den etwa 5.000 DemonstrantInnen gestern auf dem Breitscheidplatz bekanntgegeben wurde, die meisten der großen Kaufhäuser und Geschäfte hätten die Kassen und Verkaufstische mit Hilfskräften besetzt und die Türen für die Kunden geöffnet, wurde der Streik spontan bis zum Abend verlängert. Geschlossen waren in der Innenstadt nur einige kleinere Läden. Das KaDeWe öffnete um 9.30 Uhr, obwohl sich nach eigenen Angaben 5/6 der Belegschaft am Streik beteiligten.
„Wir haben die Nase gestrichen voll“, so das Fazit der Betriebsratsvorsitzenden von Kaisers, Christel Laubisch. Der Dienstleistungsabend verschlechtere die sowieso „beschissenen“ Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Einzelhandel noch weiter. Heute schon seien viele mehr als 10 Stunden außer Haus, und viele Frauen wüßten nicht, wie sie Arbeit und Kinder unter einen Hut bringen sollten. Überall sei zu wenig Personal, und die Kunden beschwerten sich oft zu Recht. „Bloß wir Verkäuferinnen kriegen das ab“, sagte Frau Laubach, und der Beifall zeigte, daß sie ihren Kolleginnen aus der Seele sprach.
Heute soll im Bundestag über die Änderung des Ladenschlußgesetzes beraten werden. Die CDU hatte sich dem Wunsch der Fortsetzung auf S. 18
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FDP gebeugt, die als einzige auf dem Dienstleistungsabend bestanden hatte. Selbst die Einzelhandelsverbände sind von längeren Öffnungszeiten nicht besonders angetan. Untersuchungen und Modellversuche haben auch in Berlin gezeigt, daß die Kaufwut der Kunden am Abend nicht so groß ist, daß es die zusätzlichen Personal- und Sachkosten lohnt.
Deshalb füchtet auch die HBV, der Dienstleistungsabend werde die Produkte teurer machen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Müller, gab deshalb auch den Vorwurf der Verbraucherverbände, die Gewerkschaften würden mit ihrer Ablehnung des Dienstleistungsabends gegen die Kunden arbeiten, zurück: „Wir verhindern, daß die Mehrkosten auf die Verbraucher abgewälzt werden.“ Die HBV will nach wie vor, daß der Ladenschluß bei 18.30 bleibt und im Tarifvertrag festgeschrieben wird. Der Kundgebung der VerkäuferInnen folgte noch eine Demonstration über den Kurfürstendamm.
bf
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