: „Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse“
Offener Brief an die internationale Konferenz zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa ■ D O K U M E N T A T I O N
Die Friedensgruppen und die Kirchen in der DDR fordern seit mindestens sechs Jahren gemeinsam eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa. (...) Eine internationale Konferenz kann „nur“ dazu beitragen, daß die Idee atomwaffenfreier Zonen nicht nur in Mitteleuropa debattiert wird und die Verhandlungen zwischen den beiden deuschen Staaten in die Verantwortung der Weltöffentlichkeit genommen wird. Dafür müßte die Konferenz Kriterien entwickeln, anhand derer die zukünftige Politik prüfbar wird (Termine, Selbstverpflichtungen, einseitige Maßnahmen, Kernwaffenteststopp-Erklärungen, Kernkraftwerk-Bau -Stopp...). Die Lage solch einer kernwaffenfreien Zone in Mitteleuropa an der Trennlinie der Bündnisse bedingt, daß es nicht „nur“ um die Abschaffung der Atomwaffen gehen kann, sondern um die Beseitigung der Angriffsfähigkeit überhaupt (auch im konventionellen Bereich). Diese Konsequenz der atomwaffenfreien Zone ist in der DDR-Öffentlichkeit noch nicht zur Sprache gekommen: „Strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“ und atomwaffenfreie Zone werden nebeneinander genannt. Die Meinungsbildung in der DDR -Bevölkerung geht nicht über Schlagwortinformation hinaus. (...) Unabhängige Friedensgruppen werden voraussichtlich nicht an der Konferenz beteiligt. Wer bringt dann ihre Vorstellungen dort ein?
Wir brauchen keine Lippenbekenntnisse, sondern:
1.Eine offene und öffentliche Debatte über die unterschiedlichen Modelle für die verschiedenen Regionen,
2.eine Analyse der diesen entgegengesetzten polit -ökonomischen und militär-ideologischen Interessen und wie gegen diese Interessen und Strukturen vorzugehen ist,
3.Termine für Vertragskonferenzen in den verschiedenen Regionen.
Für Mitteleuropa bedeutet die strukturelle Nichtangriffsfähigkeit eine militärische Entspannung. Dennoch ist eine verstärkte militär-technische Aufrüstung entlang der Blockkonfrontationslinie zu befürchten. Militärische Entspannung kann nur dann Frieden sichern, wenn sie von politischer Entspannung begleitet ist und als Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Sicherheitssystem auch völkerrechtlich abgesichert und kontrolliert wird. (...) Die NATO-Strategie der abgestuften „Antwort“ widerspricht einer für die atomwaffenfreien Zonen notwendigen defensiven Verteidigung. Es ist also die NATO, die NATO-Strategie oder die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO in Frage gestellt.
Die jüngsten konventionellen Aufrüstungen durch die Bundesregierung sind Schritte in die verkehrte Richtung. Die Bundeswehrplanung für die 90er Jahre hat aber die Verbesserung der Defensivkraft zum Ziel. Dahinter steht wohl die Erkenntnis, daß die atomare Verteidigung nicht (mehr) geeignet ist. Diese Einsicht muß gegen bündnispolitische Widerstände und parteipolitische Atommachtambitionen stärkeren Einfluß gewinnen. Friedenskrei
der Evangelischen Studentengemeinde Naumburg-Saale (DDR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen