: Steuerreform: Legaler Betrug
■ Bundestag billigt mit 241 gegen 234 Stimmen bei 17 Enthaltungen Flugbenzin-Subventionen / Zoff bei Bundesratsentscheidung Anfang Juli erwartet
Berlin (taz) - Nach einer Pflichtdebatte vor anfangs fast leerem und sich erst zum Zeitpunkt der Abstimmung füllenden Hohen Haus ist die Stoltenbergsche Steuerreform am Donnerstagabend in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet worden.
Damit entschieden sich die Abgeordneten der Koalitionsparteien weitgehend geschlossen für den Regierungsentwurf einer steuerlichen Umverteilung von unten nach oben. Die Abweichler in CDU und FDP, die in den letzten Tagen mit ihren Drohungen einer Ablehnung der Mineralölsteuerbefreiung für Privat- und Sportflieger hektische Betriebsamkeit im Regierungslager ausgelöst hatten, haben augenscheinlich ihre Bedenken gegen den Liebesdienst für Franz Josef Strauß der Koalitionsraison geopfert.
Während SprecherInnen der Oppositionsparteien insbesondere die unsoziale Umverteilungseffekte der Steuerreform und der Regelungen zu ihrer Finanzierung kritisierten, verteidigten RednerInnen der Regierungskoalition und Finanzminister Stoltenberg weiterhin die Reform als „sozial-orientierte Steuerentlastung“, die sich außerdem günstig auf die Konsumkonjunktur auswirken würden. Der SPD-Abgeordnete Apel warf Stoltenberg vor, er habe die Kontrolle über die Staatsfinanzen verloren und ruiniere die öffentlichen In Fortsetzung Seite 2
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vestitionen. Mit den angekündigten Erhöhungen von Verbrauchsteuern und Sozialabgaben nehme die Koalition den Bürgern 1989 rund 25 Mrd. Mark weg, um ihnen 1990 nur 19 Mrd. Mark an Steuern zurückzugeben. Die Abgeordnete der Grünen, Christa Vennegerts, rechnete dem Minister dagegen vor, der Saldo aus Entlastung und Belastung würde maximal 500 Mio. Mark auf alle Bundesbürger verteilen, das seien „sage und schreibe 20 Mark pro Bundesbürger“. Mit der Entscheidung im Bundestag ist die Kuh ist aber erst halb vom Eis, denn vor Inkrafttreten der Steuerreform steht der Bundesregierung am 8. Juli noch eine heiße Debatte im Bundesrat bevor. Zwar ist die Position von Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht, der sich gegen die Gesamtbelastungen aus der Steuerreform für die Kommunen wendet und seine Zustimmung von Umverteilungsregelungen für die Sozialkosten abhängig macht, durch die Hannoveraner Spielbank-Affäre geschwächt. Aber mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel ist der Koalition ein neuer potenter Kritiker aus den eigenen Reihen entstanden. Er nannte die Steuerreform „unüberlegt zusammengefügt und in ihren Auswirkungen nicht durchdacht“, hiermit sei „der soziale Friede in Gefahr“.
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