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Spitzel-Nasen überall drin

■ Niedersachsens Hasselmann präsentiert VS-Bericht: DKP streitet, „linksextrem beeinflußte“ Friedensbewegung stagniert, Neo-Nazis werden immer mehr

Eine über dem Bundesdurch schnitt liegende Mitgliederentwicklung bei rechtsextremistischen Organisationen und Stagnation bei linksextremistischen Gruppen und Parteien haben Niedersachsens rund 400 Verfassungsschützer für das vergangene Jahr 1987 festgestellt. Als Ergebnis des am Montag in Hannover präsentierten „Verfassungsschutzberichtes 1987“ wird ebenfalls festgehalten, daß die Neigung, politische Auseinandersetzungen mit gewaltsamen Mitteln zu führen, in vielen Organisationen des rechten und linken Spektrums nach wie vor besteht: 1987 gab es in Niedersachsen zwei politische Morde an einem Kurden und an einem Neonazi sowie mehrere Brand-und Sprengstoffanschläge, die Millionenschäden verursachten.

Seit der Vorstellung des Berichtes durch Innenminister Wilfried Hasselmann und die Spitzen seines Ministeriums ist es offensichtlich: Auch bis in das Nieder

sächsiche Innenministerium hat es sich herumgesprochen, daß die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) zunehmende Schwierigkeiten mit der parteiinternen Einschätzung des sowjetischen Reformkurses hat. Diese hätten, so wurde berichtet, zu offen ausgetragenen Streitigkeiten und einem Mitgliederschwund geführt. Die Parteibasis sei mit dem abwartenden Kurs der DKP-Parteispitze immer öfter unzufrieden. Dennoch habe es viele Versuche der DKP gegeben, ihr „Umfeld“ stärker an die Partei zu binden.

Auch in der Anti-AKW und der Friedensbewegung wird in Niedersachsen fleißig geschnüffelt: Ergebnisse laut VS -Bericht: Beide Organisationen seien„linksextremistisch beeinflußt“ und bei beiden sei ebenfalls eine Stagnation festzustellen.

Mehr Sorgen bereitet da dem niedersächsichen Innenministerium zur Zeit das Anwachsen neonazistischer und nationalsozialistischer Umtriebe in dem zweit

größten Flächenstaat der Bundesrepublik. Die „Deutsche Volksunion - Liste D“ des rechtsextremistischen Verlegers Gerhard Frey, die bei den Bremer Bürgerschaftswahlen ein Mandat und in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung sogar zwei erringen konnte, habe vor einer Woche auch einen Landesverband Niedersachsen gegründet. Zur Zeit bereite sich die Partei in Absprache mit der NPD auf ihre Teilnahme an der Europawahl vor.

Die Zahl der Wehrsportgruppen in Niedersachsen gab ein Verfassungsschutzsprecher mit „unter fünf“ an. Bundesweit habe es im Zuge der DVU-Aktivitäten einen Mitgliederzuwachs bei den Rechtsextremisten um 14 Prozent gegeben, er liege in Niedersachsen bei rund 20 Prozent. Bei den Neonazis gebe es einen vehementen Streit zwischen der Gruppe um den bekannten, wegen einschlägiger Aktivitäten verurteilten Michael Kühnen und deren

Gegnern. Ein Verbot der FAP sei jedoch noch nicht in Sicht, sagte Innenminister Hasselmann. Grundsätzlich gelte, daß nicht jeder Skinhead ein Neonazi sei.

Hasselmann sagte bei der Vorstellung des Berichtes, es gebe zur Zeit keine Kontakte des in Niedersachsen oft heftig kritisierten Dienstes zu JournalistInnen. „Es gibt keine Kontakte und keine Zusammenarbeit“. Der mehrfach geforderte Personalabbau um 40 bis 60 Beamte erfolge „im Rahmen der Sparvorgaben und der Bereitschaft der Beamten“. Auf die Aktivitäten der „Sieben Samurai“ angesprochen, einer Beamtengruppe des Dienstes, die „interne Löcher“ ausfindig machen soll und dabei auch schon JournalistInnen bespitzelt hat, erklärte Verfassungsschutzchef Joachim Bautsch (SPD), er werde „einen Teufel tun, dazu was zu sagen“. Es sei „schon schlimm genug, daß von der Existenz der Gruppe überhaupt etwas bekannt geworden“ sei. dp

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