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Lästige Schnaufer und Stöhner am Telefon

■ Telefon-Belästiger treiben variantenreiches Unwesen / Telefonbuch als Hilfsmittel / Fangschaltung kostet teures Geld / Eine Geheimnummer haben bisher nur tausend BremerInnen gestattet bekommen, das Telefonbuch soll vollständig sein

taz-Leserin Sigrid N. (Name geändert) hätte wirklich gerne einen Telefon-Apparat und auch eine zugehörige Telefon -Nummer, aber sie möchte diese Nummer, ihren Namen und ihre Anschrift keinesfalls im Telefonbuch preisgeben, sie will partout für Bremens Telefon-Belästiger unerreichbar bleiben: „Jeder Hinz und Kunz kann sich Frauennamen aus dem Telefonbuch raussuchen und Dich vollstöhnen.“ Sigrid N. führte einen Briefwechsel mit dem Fernmeldeamt 2, bekam kein Recht auf Geheimhaltung zugestanden und beschloß, auf ein Telefon zu verzichten. Das Amt hatte „nicht zu erkennen“ vermocht, daß Sigrid N. als alleinstehende, in der Frauenbewegung aktive Bürgerin, „mit erheblichen, unzumutbar häufigen Belästigungen rechnen“ müsse. Auch vermochte das Amt „nicht davon auszugehen, daß Frauen allgemein das Ziel belästigender Anrufe sind“.

Stöhnen in der Leitung

Ähnlich war es Beatrice H. mit dem Fernmeldeamt ergangen nur mit dem Unterschied, daß sie als Besitzerin eines Telefons die Eintragung im Telefonbuch rückgängig machen wollte. Für sie war das anonyme Onanieren, Stöhnen und Schnaufen am Ende der Leitung - während sie anfangs noch ahnungslos „Hallo-Hallo?„in den Hörer fragte - das geringere, weil seltenere Ärgernis. Regelrecht „bombardiert“ mit anonymen Anrufen wurde sie aufgrund ihres ausländischen Nachnamens und ihrer Aktivitäten in einer Fraueninitiative. Jedesmal, nachdem ihr Name in der Presse erwähnt worden war, mußte sie beim Abheben des Hörers - bevorzugt abends und nachts - damit rechnen, beschimpft zu werden als „Ausländerhure“, als eine, die man „im Dritten Reich vergessen hat zu vergasen“.

Beatrice H. bekam es mit der Angst zu tun: „Ich wohnte damals alleine und fühlte mich wie im Glashaus, total beobachtet, total unter Kontrolle. Ich stand unter Panik.“ Das Fernmeldeamt habe ihr jedoch keine geheime Nummer genehmigen wollen: „Mir wurde es immer mehr ein Bedürfnis, aus der Wohnung auszuziehen und nicht mehr als alleinstehende Frau aufzufallen.“

Eine spontane Umfrage unter sieben taz-Kolleginnen ergibt, daß jede bereits ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Bremens variantenreichen Telefon-Belästigern

gesammelt hat. Die eine sprach bereits als 11jährige mit einen „Onkel“ am Telefon, der sie ganz vertraulich ausfragte - „Was hast Du denn an?“, „Weißt Du denn, was Du da unten hast?“ - bis sie völlig verstört auflegte. Gut erinnern kann sie sich auch noch an den „Mann mit dem Eisenschwanz“, der sich ihr nicht nur einmal am Telefon unter dieser Bezeichnung vorstellte und ihr ein obszönes „Standardprogramm“ von „geilen Titten und Votzen“ ins Ohr bließ. Sie „kriegte voll den Heulkrampf“ und „tierisch Schiß, der kennt mich, der wohnt in der Nähe, beobachtet mich.“

Allein die kleine taz-Umfrage förderte noch mehr „Standardprogramme“ zu Tage: Den Typ, der der Redakteurin nach Feierabend ins Ohr raunte: „Schön daß Du zu Hause bist. Ich hab schon lang gewartet.“ Mit seiner angenehmen dunklen Stimme hielt er die Frau am Hörer, erst bei seinem zweiten Anruf fertigte sie ihn geistesgegenwärtig mit einem „Du Arschloch“ ab. Oder den Typ, der darauf spezialisiert ist, die Frauen am anderen Ende in Gespräche über Nacktbade -Gepflogenheiten zu verwickeln. Oder den, der sich gerne mal im „Rotkäppchen“ verabreden möchte. Oder auch den, der unvermittelt in sachlichem Ton Angsteinflößendes verkündete: „Dir schneid ich auch noch die Titten ab!“

„Du alter Wichser!“

Empörtes Hörerhinknallen oder ein erbostes weibliches „Du alter Wichser“ schufen bei Wiederholungstätern selten Abhilfe. Höchstens eine zu Hilfe geholte, erboste Männerstimme war in der Lage, den unbefriedigten Belästigern am anderen Ende Einhalt zu bieten. S. kürzte ihren Vornamen im Telefonbuch ab, um darin nicht mehr als Frau kenntlich zu sein. Als selbst ihre FreundInnen sie dermaßen verkürzt nicht mehr im Telefonbuch auffanden, entschloß sie sich, den Vornamen ausdrucken und stattdessen die Anschrift wegzulassen: „Ich denke, daß ich am Telefon mit denen fertig werde.“

Frauen, die außer der Anschrift auch ihren Namen und ihre Telefonnummer geheimhalten wollen, stoßen bei dem Sprecher der Bremer Oberpostdirektion, Benno Harengerd, auf wenig Verständnis. Zwar kennt Harengerd selbst telefonische Belästigungen - „immer nachdem mein Name in der Zeitung stand, bis hin zu Morddrohungen“ - aber er ist

überzeugt: „Unsere Kunden haben ein Recht darauf, im Telefonbuch geführt zu werden.“ Doch was ist mit den Kundinnen, die wie Sigrid N. und Beatrice H. auf

dieses Recht bewußt verzichten wollen? Und mit den Frauen, die sich vor terrorisierenden Ex-Ehemännern in die schützende Anonymität flüchten wollen? Denen

kommt Benno Harengerd mit den Vorschriften der Telekommunikations-Ordnung (TKO): „Die Post ist verpflichtet, ein vollständiges Verzeichnis aller Telefon

kunden vorzulegen.“ Belästigte Kundinnen könnten zwecks Glaubhaft-Machung einer „erheblichen Belästigung“ und „Gefährdung“ zunächst auf Fangschaltung gelegt werden, wenn sie dafür am ersten Tag 20 Mark und an jedem weiteren Tag 10 Mark bezahlten.

Auf eine Geheimnummer haben es von den 300.000 Bremer FernmeldekundInnen bisher nur tausend gebracht: „Kunden, die prominent sind, Kunden, die Personenschutz bedürfen, wie Künstler, Verfassungsschützer, Politiker. Und eine Reihe von Teilnehmern, die erheblich belästigt wurden. Das ist eben eine Frage des Glaubhaft-Machens.“

Ob er schon einmal darüber nachgedacht hat, daß heutzutage jede Frau von der Anmache am Telefon genauso betroffen ist wie von der auf der Straße? Ob er ahnt, daß das Telefonbuch für notorische Telefon-Belästiger eine Art Katalog darstellt, aus dem sie sich nach Belieben Frauen zum Anwählen raussuchen können: „Nein. In dieser Tragweite ist das bisher nicht an uns herangetragen worden.“

Barbara Debus

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