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Österreichischer Nazi-Charme

Meinungsumfrage bestätigt: Österreicher glauben, daß Nationalsozialismus Gutes und Schlechtes hat  ■  Aus Wien Oliver Lehmann

In der österreichischen Alpenrepublik gibt es leider einen traurigen Rekord in Sachen Vergangenheitsbewältigung zu vermelden: Nach einer noch unveröffentlichten Umfrage des Wiener Meinungsforschungsinstituts Fessl sind 47 Prozent der ÖsterreicherInnen der Meinung, daß der Nationalsozialismus für Österreich sowohl Gutes als auch Schlechtes gebracht habe. Zwei Prozent finden, daß der Nationalsozialismus in Österreich überwiegend positiv zu bewerten ist.

In der Umfrage sind lokale Unterschiede festzustellen. Während in Wien und im Burgenland immerhin 60 Prozent der insgesamt 1.500 Befragten dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstehen, bringt es das traditionell reaktionäre Kärnten nur auf 31 Prozent. Bei den Mitgliedern der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ist die negative Bewertung des Nationalsozialismus mit 31 Prozent am niedrigsten. Für sieben Prozent der Bevölkerung ist „die Massenvernichtung der Juden“ historisch nicht erwiesen. In einer ersten Reaktion sagte Dr. Hodik, ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde in Wien: „Das Verhalten der ÖVP im Präsidentschaftswahlkampf hat den latenten Antisemitismus wieder salonfähig gemacht.“

Anschauungsunterricht in Sachen Vergangenheitsbewältigung erhielt die französische Journalistin Hellen Keller-Lind während des Papstbesuchs am vergangenen Wochenende: Bei einer Kundgebung gegen das Treffen des Papstes mit Bundespräsident Waldheim wurde sie, obwohl als Journalistin erkennbar, mit den Kundgebungsteilnehmern verhaftet. Im Polizeikommissariat sei, so Keller-Lind, ein Polizeibeamter vor sie hingetreten und habe ihr einen gewaltigen Schlag ins Gesicht versetzt. Sie und die übrigen Verhafteten wurden als „jüdische Ratten“ beschimpft. Untersuchungen sind vom Polizeipräsidium eingeleitet worden.

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