: Alle auf Linie
■ Reaktionen der Parteien auf Räumung des Kubat-Dreiecks / AL: „Schwarzer Freitag“ für Demokratie / Polizeigewerkschaft: Chaoten sollen im Osten bleiben
Wie aus der Schublade gezogen erfolgten nach der Räumung die erwarteten Reaktionen der Parteien. Der Regierende Bürgermeister Diepgen freute sich, daß die Räumung der sogenannten Berliner Linie, den Rechtsfrieden zu wahren und der Rechtsstaatlichkeit Geltung zu verschaffen, entsprochen habe. Weiter begrüßte er die „behutsame und konsequente“ Räumung und bedankte sich bei der Polizei für das „umsichtige und abgewogene Vorgehen“. Selbst die Flucht der BesetzerInnen münzte Diepgen in seinem Sinne um: „Was wir brauchen, sind mehr 'Leitern‘ für die Freizügigkeit in alle Richtungen“. Ihre eigene Linie beanspruchte die FDP. Ihr Fraktions- und Landesvorsitzender Rasch lobte den Senat, der „FDP-Linie“ gefolgt zu sein, nämlich „nach Möglichkeiten einer friedlichen Lösung des Problems“ gesucht zu haben. Er begrüßte „das friedliche Ende einer rechtswidrigen Aktion, die in bisher einmaliger Weise die Problematik der geteilten Stadt verdeutlicht“ habe. Die SPD äußerte sich befriedigt darüber, daß es bei der Räumung nicht zu der erwarteten Gewalteskalation gekommen sei. Ihr Abgeordneter Staffelt kritisierte aber, daß der Senat jegliches Bemühen um eine politische Lösung des Konfliktes im Sinne der Berliner Linie habe vermissen lassen. Jetzt müsse die Chance für eine politische Debatte über die künftige Gestaltung des Lenne -Dreiecks genutzt werden.
Zum „Schwarzen Freitag für die Demokratie“, erklärte die AL den gestrigen Tag. Sie verurteilte die Räumung und beschuldigte den Senat, durch eine Eskalationspolitik knapp 200 Menschen zur „Massenflucht“ gezwungen zu haben. „Die Menschenjagd“, die die West-Berliner Polizei in U- und S -Bahnhöfen und an den Grenzübergängen nach zurückkehrenden Flüchtlingen veranstaltet habe, zeige, „wie berechtigt die Flucht vor polizeilichen Zwangsmaßnahmen“ gewesen sei. Den Grenzorganen der DDR dankte die AL für die „faire Behandlung und die hilfreiche Betreuung“ der Flüchtlinge.
Ganz anders die Deutsche Polizeigewerkschaft: „Die in den Ostteil der Stadt geflüchteten Chaoten sollen dort bleiben“, maulte ihr Landesvorsitzender Franke. Weiter kritisierte er das „passive Verhalten“ der Alliierten, deshalb hätte die Berliner Polizei „die Kastanien wieder einmal selbst aus dem Feuer holen müssen“. Sie hätte geschafft, „was den Alliierten in über 5 Wochen nicht gelungen ist: die Räumung eines Chaotenschlupfwinkels.“
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