„Ich heiße Kurt Raab und habe Aids“

■ Zum Tod des Faßbinder-Schauspielers Kurt Raab

Er war wohl einer der widersprüchlichsten Schauspieler, die dieses Land nach Peter Lorre zu bieten hatte. Ähnlich wie jener verkörperte er Mannsbilder, die nicht unbedingt zur heldischen Identifikation einluden. Zwischen grausamer Kälte und mitleiderregender Einsamkeit taumelten die von ihm dargestellten Figuren durch Filme, die vor allen Dingen von Rainer Werner Faßbinder waren. Nicht umsonst verband diese beiden schillernden Männer eine jahrzehntelange Haßliebe.

Kurt Raab, von Freunden auch zärtlich Kurti genannt, beschrieb sich selbst als bekennenden Katholiken und Homosexuellen, und nicht nur diese Kombination unterschied ihn von den meisten seiner Kollegen. Die Lust am Klatsch über Freunde und Feinde brachte Raab in den Ruf, eine gefährliche Tunte zu sein - gerade deswegen lud man ihn gern zu Parties ein.

Unvergessen seine Darstellung eines einsamen reichen Schwulen in Kir Royal. Gab er sich in der Öffentlichkeit gern exaltiert und laut, waren doch in seiner Schauspielerei nie jene Untertöne zu überhören, die aus seiner Sensibilität und seinem Wissen um die Gemeinheit des Menschen sprachen. Zärtlichkeit der Wölfe lautet der Titel eines Films, den Kurt Raab geschrieben hat und in dem er selbst die Hauptrolle spielte: den Massenmörder Fritz Haarmann, dem Raab, wie einstmals Peter Lorre in M - eine Stadt sucht einen Mörder, mehr als die Maske einer killenden Bestie verlieh.

„Der Gulasch ist gut. Das hilft dem Vater auf die Mutter“. Mein Lieblingssatz aus Bolwieser, den Raab sich wahrscheinlich selbst ins Drehbuch geschrieben hat. Eine einleuchtende Vermutung, vor allem, wenn man bedenkt, daß Frau Trissenaar die „Mutter“ spielte.

Seit 1986 wußte Kurt Raab, und mit ihm die Öffentlichkeit, daß er an Aids erkrankt war. Sein Leben mußte er zwangsläufig reduzieren. Die Schadenfreude, die offensichtlich bei so manchem Mitglied der Münchener Schickeria aufkam, blieb ihm, dem Spezialisten für Schadenfreude, nicht verborgen. „Man muß es positiv sehen“, sagte er im letzten Juli, als er schon im Rollstuhl saß und sich kaum vom Selbstmord seines letzten Freundes erholt hatte. „Man muß zu dem Virus sagen: Ich habe dir wieder einen Tag abgetrotzt“. Das Virus ließ sich ein ganzes Jahr abtrotzen.

Seine letzte Rolle spielte er in Achternbuschs Wohin?: „Ich heiße Kurt Raab und habe Aids“. (Daß Thomas Brasch ihn zwar für Welcome to Germany nach Berlin holte, ihn aber unverrichteter Dinge wieder wegschickte, soll laut Raab an Tony Curtis gelegen haben.) Für den Mut zu diesem Satz werden ihn ebensoviele gehaßt wie bewundert haben - Raab ist der erste deutsche Prominente, der sich öffentlich zu Aids bekannte.

„Ich denke nicht, daß mit meinem Tod alles vorbei ist“, glaubte er, und wir wünschen ihm, daß er recht behält. Machet gut, Kurti.

Renee Zucker