piwik no script img

Giftgaslager-BlockiererInnen ziehen ab

Bilanz der Fischbach-Blockadewoche: 175 Strafanzeigen wegen Nötigung  ■  Von Felix Kurz

Fischbach/Ludwigswinkel (taz) - Einsatzleiter Norbert Roßmann zog am Ende der Blockadewoche in Fischbach vor dem dortigen US-Giftgasdepot gegenüber der taz ein versöhnliches Fazit. Im Grunde genommen, so Roßmann, habe man sich „im besonderen auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und das jeweils mildeste Mittel konzentriert“. Und dann fügte er noch hinzu: „wie es uns gesetzlich vorgeschrieben ist“.

Da hat er recht. Für die Mitglieder der Friedensbewegung sieht die Bilanz des „mildesten Mittels“ so aus: 175 Strafanzeigen wegen des Verdachts der versuchten (77) und der vollendeten Nötigung (98). Ihnen steht jetzt ein Gerichtsverfahren ins Haus, denn die Staatsanwaltschaft Zweibrücken wertet Blockaden als Straftat. 126 Platzverweise sprachen die Beamten gegen ebenso viele Demonstranten aus. Rund 100 Personen, die täglich wechselten, beteiligten sich von Montag bis Freitag an den Blockaden des US-Giftgaslagers in Fischbach. Täglich waren 250 Polizisten im Einsatz.

Mit ihrer Blockadewoche, Motto „Sitzenbleiben für den Frieden“, verfolgten die Mitglieder der Friedensbewegung gleich zwei Anliegen. Zum einem ging es darum, endlich auch die chemischen Waffen für die Friedensbewegung zu thematisieren und für deren ersatzlose Vernichtung zu werben. Zum anderen protestierte man gegen ein Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs(BGH), der den Blockaden vor militärischen Einrichtungen das Etikett der Verwerflichkeit umgehangen hatte. Sie seien grundsätzlich als Straftat zu verurteilen.

Anläßlich der Fischbach-Blockade erklärte der Rechtsprofessor Gerald Grünwald, Mitglied im Beirat der Humanistischen Union, gestern auf einer Pressekonferenz der Grünen in Bonn, die Blockade-Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei nicht „das letzte Wort“ in diesem Rechtsstreit. Ein anderes Oberlandesgericht, das mit dem Karlsruher Spruch nicht einverstanden ist, könne dem BGH einen Fall erneut vorlegen. Robert Jungk nannte Blockaden gestern „eine Form von Sprache. Der Gesetzgeber macht sich mitschuldig an der Eskalation der Gewalt im Innern.“ Die Grünen plädieren für eine Reform des Nötigungsparagraphen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen