: Vergessen-betr.: "Die Prüfungen des Knechts Woytila", taz vom 28.6.88
betr.: „Die Prüfungen des Knechts Woytila“, taz vom 28.6.1988, Seite 6
Man sollte dem Papst keinen Vorwurf daraus machen, ihn eher loben, falls tatsächlich er den „Holocaust entjudaisiert“ haben sollte.
Bei seinem Besuch im KZ Mauthausen nahm der Papst durchaus die Gelegenheit wahr, zu betonen, die Welt habe die Nazi -Verbrechen zu schnell vergessen. Nichtsdestoweniger aber verfuhr der Papst dabei nach dem bewährten Prinzip, den Balken im eigenen Auge nicht wahrzunehmen, indem er es unterließ, an die Vernichtung ganzer Kulturkreise speziell durch die Katholische Kirche zu erinnern und der Millionen im Zuge der Christianisierungs- und Missionierungs -Verbrechen an Leib und Seele Geschundenen zu gedenken, der in Kreuzzügen Massakrierten, der durch die Inquisition, den christlichen Hexenwahn Gefolterten und Gemordeten.
Was die Entjudaisierung des Holocaust angeht, so wäre zu bedenken, daß es die Katholische Kirche war, die in entscheidender Weise mithalf, die faschistischen Systeme unseres Jahrhunderts zu etablieren, um sie für ihre eigenen Zwecke zu benutzen wie beispielsweise in dem „allezeit getreuen Kroatien“, wo zu Zeiten der berüchtigten Ustascha und ihres berüchtigten „Führers“ Ante Pavelic 1941/43 unter Beteiligung und Duldung kirchlicher Stellen - bis hinauf zum Vatikan - von katholischer Seite Scheußlichkeiten begangen wurden, Morde in Millionenhöhe an Angehörigen der Serbisch -Orthodoxen Kirche, die hinter den schlimmsten Massakern des katholischen Mittelalters nicht zurückstehen Scheußlichkeiten, Blutorgien, denen gegenüber der Tod in der Gaskammer eine Gnade gewesen sein mag. Die Gelegenheit freilich, daran zu erinnern, bei der Feier der Eucharistie im burgenländischen Trausdorf am zweiten Tag seines Österreichbesuchs, ließ der Papst ungenutzt verstreichen, wo doch immerhin 30.000 Kroaten über die Grenze herübergekommen waren - zu einem nicht unerheblichen Teil wohl die Mörder von 1941/43 und deren Nachkommen.
Eugen Unterweger, Heimsheim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen