: Schaum am Nordsee-Strand
■ In der mit Zivilisationsabfällen übersättigten Nordsee wuchern bei Sonnenschein und Windstille die Algen / Bremens Beitrag hat ein Behördenvertreter zusammengestellt
Das stinkt bestialisch und klebt furchtbar - zerfallende, tote Algen am Nordsee-Strand, praktisch „Leichen“, sagt der Biologe Dr. Michael Schirmer von der
Bremer Universität. Bei gutem Wetter, bei Windstille und Sonnenschein vermehren sich die Algen epidemieartig, werden an den Stränden angeschwemmt und setzen beim Zerfall das stinkende Eiweiß frei.
Das war nicht immer so: In früheren Zeiten gab es die Algen -Wucherungen höchst selten, und jeder Vorfall ging unter dem Stichwort „Rote Tiede“ ins kollektive Gedächtnis der Naturkatastrophen ein. Seit acht Jahren ist das Algen -Wucherwachstum zur regelmäßigen Erscheinung am Strand geworden. Wie der Mechanismus im Detail biologisch und chemisch funktioniert, ist noch nicht in allen Einzelheiten erforscht. „Überdüngung“ mit
den Abfallstoffen der Zivilisation ist von den Wissenschaftlern als Ursache der Algen-Explosionen allerdings identifiziert, insbesondere die Stickstoff-und Phosphat-Belastung.
Was trägt Bremen dazu bei? In der Fachzeitschrift „Die Weser“ hat der Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft bei der Bremer Senatorin für Umweltschutz, Hugo Wohlleben, diese Frage recht präzise beantwortet: „Einleitung von Kanalisationsabwässern, Verwendung von Düngemitteln auf dem Lande, die Vergrößerung der intensiven Viehzuchtbetriebe und das weitverbreitete Aufbringen natürlicher tierischer Düngemittel auf Wiesen und Weiden“ seien Ursachen des zunehmenden Gehaltes der Nordsee an Nitraten und Phosphaten.
Im Detail: Allein über die Weser gehen jährlich 87.000 Tonnen Stickstoff in die Nordsee, 3.800 Tonnen Phosphor und 1,1 Tonnen Quecksilber. Beim Kupfer sind es 84 Tonnen, Zinn 219 Tonnen, bei den hochgiftigen PCB's 1,8 Tonnen. Und dabei ist die Zufuhr der Weser mit 29 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr nur ein kleiner Anteil der insgesamt 400 Millionen Kubikmeter Zivilisations-Ströme, die jährlich in die Nordsee abgeleitet werden.
Aus dem Bereich Bremen stammen allein 10 Prozent des Nährstoffeintrags Phosphat der Weser. Auch bei den chlorierten Kohlenwasserstoffen ist, so der Behörden -Vertreter, „die Lindanfracht (giftiges Holzschutz-Mittel, d.Red.) aus dem Bereich Bremen im Verhältnis zum sonstigen Wesereinzugsgebiet auffällig hoch.“
Der Vertreter der Umweltbe
hörde hat seinen Bericht mit einem Vorschlag für eine „Wasserreinhalte-Richtlinie“ abgerundet. Da heißt es unter „Grundsätze“, daß es einmal verbindlich heißen soll: „Nach dem Vorsorgeprinzp sind wassergefährdende Stoffe aus der Weser fernzuhalten.“
K.W.
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