: Reingebrezelt
■ Wie Boris auf den Teppich 'runtergeholt wurde
Genau getimed und doch daneben war die Anzeige, mit der ein Teppichgeschäft am Dienstag vom Wimbledon-Sieg unseres Boris profitieren wollte. Aus diesem Anlaß rollt ein neuer Trampelstoff vom Ballen, die Marke mit dem aktuellen Namen „Wimbledon“, im britsch-dezenten Tea-Time-Ton „rose“. Tja und wie kam die Firma darauf? Ganz einfach! Der Laden ist genauso alt wie unser Boris und läßt es sich deshalb nicht nehmen, ihm in zwei Berliner Tageszeitungen großblasig zum deutschen Erfolg zu gratulieren. Und das, nachdem unser „Bobele“ gnadenlos an die Wand gespielt wurde und bitter zu Boden ging.
Trotzdem brauchen wir nicht mit ihm in bitterer Enttäuschung zu verharren, sondern können aufatmen. Jetzt endlich gibt es den Stoff aus dem die Träume aller Tennis -Cracks sind. Mal ehrlich, der auch noch so heilige Rasen im Centre Court in Wimbledon macht langsam mehr als schlapp. Von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Match zu Match wird er nicht besser, sondern sieht aus wie ein zerzauster Mob, der lange nicht mit Wet-Gel und Styling-Spray in Facon gebracht wurde.
Kein Wunder, dieses ständige Bumm-Bumm, die immer stärker reingebrezelten Asse der Spitzenspieler und die extra ausgefeilte Profisohle der Markentreter maltretieren das empfindliche Grün bis es sich in ein zerklüftetes Relief verwandelt. Und der Londoner Dauerregen gibt ihm den Rest. Der liebevoll hochgepeppelte Naturbelag versumpft zu einem vollgesogenen Riesen-Moosi. Die Folge: Zerfranste Grasbüschel reißen auf zu Kratern und Knöchelfallen. Verblaßte gelbliche Schmutzflecken hinterlassen stumpfe Glatzen auf dem Centre Court. So geht es nicht weiter, erst recht nicht für unser „Bobele“. Des Desasters Lösung wäre im nächsten Jahr in Wimbledon eben jenen gleichnamigen Teppichflor zu verlegen. Der Vorteil: Die strapazierfähige, 100% Polyamid, anti-statische, Sauber-Kurzfaser saugt keine Flüssigkeiten auf, sondern verteilt sie flächendeckend auf der stoppelschnittigen Oberfläche. So sind sie, laut Geschäftsführer, mit jedem herkömmliche Haushaltstuch abtupfbar and the carpet needs no haircut (frei nach Tom Waits). Also weg mit den Rasenrollern und her mit dem Staubsauger (Marianne Sägebrecht wäre sicher dabei).
Leider ist die prominente Meterware noch nicht in traditionellem grün vorrätig, und „Wimbledon“ eignet sich nicht zum Tennisspielen. Aber des kann ja noch kommen.
Caroline Schmidt-Gross
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