„Hoffen wir, daß das Urteil im Alltag nicht zur Anwendung kommt“

■ Der Sozialpädagoge Bertram Wehner zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, Drogenberatern und Sozialpädagogen kein Zeugnisverweigerungsrecht einzuräumen

I N T E R V I E W

Anfang der Woche stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß Drogenberater kein unmittelbar aus der Verfassung ableitbares Recht auf Zeugnisverweigerung vor Gericht haben. Mit der Entscheidung wurde die Verfassungsbeschwerde einer hessischen Sozialpädagogin wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgewiesen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat inzwischen eine Initiative zur Verankerung dieses Rechts im Strafprozeßrecht angekündigt.

taz: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in einem Beschluß festgestellt, daß Drogenberatern nur im Einzelfall und nur unter ganz besonderen Voraussetzungen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Welche Bedeutung hat dieses Urteil für eure Arbeit als Drogenberatungsstelle?

Bertram Wehner: In der Praxis hat das Urteil für uns wenig Bedeutung. In den letzten Jahren haben uns Staatsanwälte und Richter schon immer gesagt, ihr habt kein Zeugnisverweigerungsrecht. Und daß wir allenfalls der Schweigepflicht gegenüber unseren Klienten, den Drogenabhängigen, unterliegen. Und die können uns davon entbinden, dann haben wir als Drogenberater gar keine Möglichkeit mehr, eine Aussage zu verweigern. Helfen würde uns nur das Zeugnisverweigerungsrecht.

Dieses Recht ist doch eine alte Forderung der verschiedenen Initiativen in der Drogenarbeit.

Ja, es wäre auch dringend erforderlich. Wir können unseren Klienten nie hundertprozentig garantieren , daß wir keine Information weitergeben müssen. In letzter Konsequenz können uns die Richter zu Aussagen zwingen.

Eine Drogenberatung lebt aber doch von dem Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Abhängigen?

Das heißt ganz einfach, daß Drogenabhängige, die die Beratungsstelle aufsuchen, sich zehnmal überlegen müssen, was sie rauslassen oder nicht rauslassen wollen. Sie haben ganz einfach Angst, daß Informationen weitergegeben und dann vor Gericht zu ihrem Nachteil verwendet werden. Es ist sehr schwer, diese Angst abzubauen und ein Vertrauensverhältnis herzustellen.

Fordert ihr eure Klienten vor der Beratung auf, sich zu überlegen, was sie euch erzählen?

Im Grund genommen wäre das korrekt. Aber in der Praxis ist das bei jedem Gespräch, jeden Tag, schwer durchzuhalten. Dazu kommt noch, daß wir trotz einiger Versuche bis jetzt noch nie gezwungen waren, vor Gericht etwas auszusagen. Im Grund genommen kann man jetzt nur hoffen, daß dieses Urteil im Alltag nicht zur Anwendung kommt.

Interview: Wolfgang Gast.