: Rocard pfeift Justizminister zurück
Frankreichs Premierminister schränkt Lockerung der Isolationshaft nach Protesten der Rechten ein / Regelung soll für Gefangene, die „blutige Verbrechen“ begangen haben, nicht gelten ■ Aus Paris Beate Seel
Frankreichs Rechte hat allen Grund zur Zufriedenheit. Kaum hatten sich ihre Abgeordneten in der Nationalversammlung über eine von Justizminister Pierre Arpaillange erlassene Anweisung empört, die die Lockerung der Isolationshaft für politische Gefangene vorsah, da pfiff der sozialistische Premierminister Michel Rocard den parteipolitisch unabhängigen Politiker auch schon zurück.
In einer entsprechenden Erklärung hieß es am Mittwoch nachmittag, die Isolationshaft könne in den Fällen aufrechterhalten werden, in denen die Gefangenen sich „blutiger Verbrechen“ schuldig gemacht hätten. Gegenseitiges Schulterklopfen auf den Bänken der Opposition, die ihre erste Konfrontation mit der neuen Regierung erfolgreich überstanden hat. Der Justizminister hatte in seinem Dekret angeordnet, zwei politische Gefangene könnten künftig gemeinsam eine Zelle belegen und in Gruppen von maximal fünf Personen an den sozialen Aktivitäten im Gefängnis teilnehmen. Insofern handelt es sich nicht um eine Form der Gruppenisolation, wie zunächst gemeldet wurde. Allerdings blieb auch vor dem Eingreifen Rocards unklar, ob bestimmte Gefangene weiter gewissen Einschränkungen unterworfen bleiben würden.
Die Erklärung des Ministerpräsidenten, getragen vom Willen nach Versöhnung mit der parlamentarischen Rechten, ließ ebenfalls viele Fragen offen: Beispielsweise, ob auch Untersuchungshäftlinge, denen Mord oder Körperverletzung vorgeworfen wird, von der Beibehaltung der Isolation betroffen sein können. Unklar ist auch, wer überhaupt noch in den Genuß der revidierten Maßnahme kommt, da die Haftbedingungen für politische Gefangene nicht einheitlich sind. Während manche Häftlinge Monate oder auch Jahre in Isolationshaft verbringen, sind andere, auch solche, die wegen „blutiger Verbrechen“ verurteilt wurden, vollständig in den Normalvollzug integriert. Eins ist den beiden Regierungsmitgliedern Arpaillange und Rocard jedenfalls bestens gelungen: Verwirrung zu stiften. Glasklar scheint soweit nur zu sein, daß die rund 500 „normalen Gefangenen“, die aus unterschiedlichsten Gründen in Isolationshaft sitzen, von der verwässerten Regelung nicht betroffen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen