: Hör-Funken: Techniken eines Telephonterroristen
Für Kopfhörer. Land oberhalb des Zürichsees, noch im Besitz einer alten Lady, droht Bodenspekulanten in die Finger zu geraten, die sich meistens um Äxte schließen oder das Eisenmaul von Baggern bedienen, so daß es die Parole „Land in Not“ auszurufen gilt. Was in Anna Zepfs Hör-Epos in drei Kapiteln auch geschieht, und zwar mit dem Erfolg, daß der Angriff der finsteren Landverweser abgeschlagen wird, die Lady wieder ruhig schlafen kann und die Lady bleibt, während die Landschaft es schafft, eine Landschaft zu bleiben. So kurz, so gut. Natürlich war die Schriftstellerin Anna Zepf eine große Sozialmoralistin, die in ihren Hörspiel-Epen energisch und geradlinig nach heißen Eisen griff, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen. Sozialkitsch, könnte gestöhnt werden, wäre da nicht die radiophone Realisation: Akustisch geht eine Landschaft auf, Grillenzirpen, Regenrauschen, fernes Abendläuten lassen die blinden Hörorgane Bilder einer Landschaft entwerfen, in die eingebettet die Dialoge der Geschichte körperliche Präsenz verleihen: die richtige Geschichte zur Landschaft im passenden Hörraum. Und da nicht nur die Besetzung erstklassig ist (Ellen Widmann, Eva Mattes u.a.), sondern die RIAS-Produktion von 1975 in Kunstkopf-Stereophonie aufgenommen wurde, heißt es: die Kopfhörer auf, ein paar Stunden Zeit mitgebracht, und ab in die „Grünzone“: Sonnabend, 20.00- 00.15 Uhr, RIAS 1
Techniken eines Telephonterroristen. Die Wählscheibe als Lotteriespiel, das zur Sucht wurde: So präsentiert der Poet Günter Kunert die nicht stille, sondern klingelnde Leidenschaft fürs leicht illegitime Telephonieren. Der Mann stellt wie ein Zahlenmystiker Rufnummern zusammen, um sich von einer anderen Stimme und andere Hörer von sich überraschen zu lassen. Und wenn sich Anschluß ergibt, dann beginnt der phantastische Kampf darum, das Auflegen zu verhindern: mit aberwitzigen Geschichten, Stimmimitationen, Katastrophennachrichten, allen Spielformen des Choks und Nervenkitzelns, die den lustlosen Ton einer toten Leitung vermeiden und die Leidenschaft eines vom Apparat versessenen Einsamen befriedigen, mit Leuten zu sprechen, deren Aussehen nicht einmal bekannt ist, aber eine Stimme haben, aus der noch das Aussehen herauszuhören ist. Ein Hörspiel mit der dämonischen Seite der Apparatur: „Kein Anschluß unter dieser Nummer“, Sonntag, 21.00 - 21.44 Uhr, SWF 1
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