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SOLOMULTIMEDIAKACKE

■ angerührt von Barnaby Gale im Theater Zerbrochene Fenster

Ist es Größenwahn oder Dummheit, mit der sich Schauspieler aus der Off-Szene zunehmend allein auf die Bühne stürzen, Solonummern abziehen und den Zuschauer über Ton und Dias mit Bildern, Informationen, Geschichten usw. bombadieren? Geht es ihnen um den Nachweis, daß sie fleißig recherchiert haben, viel Material sammelten und sich jetzt auskennen in ihrem Thema? Glauben sie, daß sich die Trefferquote ihrer Botschaften vergrößert, wenn sie nur, in neue Tüten verpackt, ständig wiederholt wird?

Doch die Kraft der Worte, den Zuschauer mit einer erschreckenden Realität zu konfrontieren, nutzt sich schnell zum bloßen Horroreffekt ab. In Barnaby Gales „Saturday Night Spezial“ über den Waffenfanatismus der Amerikaner werden über Dias ständig statistische Informationen eingeblendet, die den mörderischen Gebrauch von Handfeuerwaffen dokumentieren: „Alle 23 Minuten wird jemand getötet“. Der private Mord, nicht der organisierte Krieg ist das Thema.

Eine zweite Textcollage läuft vom Band: Überfallene berichten von ihren Gedanken angesichts der sie bedrohenden Waffe oder eine Mutter erzählt beiläufig, wie sie ihrer zehnjährigen Tochter die Angst vor der Waffe nahm und ihr das Schießen beibrachte.

Drittens tritt Barnaby Gale in persona auf, parodiert Westernhelden, Gangsterbosse, Detektive, Hausfrauen beim nachmittäglichen Waffenbasteln und das Killer-Training derer, die sich auf das Überleben nach der nuklearen Katastrophe vorbereiten. Dazwischen verabreicht er Häppchen amerikanischer Geschichte: ein Kugelhagel mit zeitweiliger Feuerpause. Uff.

Aber es reicht nicht, mit Spielzeug-Pistolen den Macho zu karikieren, um die Faszination der Waffe zu brechen. Barnaby scheint selbst mit seinen Augen auf die Mündung der Waffe fixiert: auf diese Erscheinungsform der Gewalt starrend, vergrößert er ständig nur die Oberfläche des Phänomens; doch zu den Ursachen fällt ihm weiter nichts ein.

KBM

Barnaby Gale: „Saturday Night Spezial“, Theater Zerbrochene Fenster, bis 12.7., 21.00 Uhr, im Rahmen des dritten Internationalen Treffens „unabhängiger Theater“.

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