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Das Duell findet nicht statt

■ Vornehme Zurückhaltung der Favoriten bei der Tour de France / Lediglich Fignon macht bereits schlapp

Berlin (taz) - Noch nicht die erhofften klaren Konturen in der Tour de France brachte das Zeitfahren am Freitag von Lievin nach Wasquehal. Es gewann überraschend der in London lebende Sean Yates (28) vor dem Italiener Roberto Visentini. Die Favoriten legten ihre Karten noch nicht auf den Tisch. Mottet und Bernard aus Frankreich, der Ire Kelly und der Spanier Delgado, sie alle liegen ein bis zwei Minuten hinter dem Träger des Gelben Trikots in Lauerstellung, dem Niederländer Jelle Nijdam, der die wertvolle Trophäe auch am Samstag ins Ziel der siebten Etappe am Dom von Reims retten konnte. In den nächsten Tagen, wenn es in die Alpen geht, muß sich zeigen, wer von ihnen beim Zeitfahren geblufft und wer wirklich nicht mehr Saft in den Beinen hat.

Nur zwei Fahrer bekannten auf der 52 km langen Zeitfahrstrecke schon Farbe: der kolumbianische Bergspezialist Lucho Herrera, der erstaunlich gut fuhr und sich vor den mörderischen Bergetappen in den Alpen und den Pyrenäen bereits einen sehr guten 44.Platz im Gesamtklassement erstrampelte, meldete sich in den Kreis der Topfavoriten zurück. Ausgeschieden aus diesem illustren Zirkel ist dagegen Laurent Fignon, der 27jährige Tour-Sieger von 1983 und 1984. Wie schon im Vorjahr, als er ebenfalls katastrophal begann, in der zweiten Hälfte der Tour dann aber plötzlich zu großer Form auflief, verlor er auch diesmal auf den ersten Etappen jede Menge Zeit. Im Mannschaftszeitfahren hatte ihn ein Hungeranfall und eine falsche Regelauslegung - er dachte irrtümlicherweise, nur die ersten fünf jeder Mannschaft würden gewertet und es käme auf seine Zeit nicht unbedingt an - um einige Minuten zurückgeworfen, beim Zeitfahren am Freitag blieb er über zwei Minuten hinter Sieger Yates.

Damit scheint das hochstilisierte französische Duell Bernard-Fignon, das in der Presse des Landes soviel Staub aufgewirbelt hatte, frühzeitig geplatzt zu sein. Die Franzosen, die nichts an der Tour so sehr lieben wie den Zweikampf, stehen nun erst mal mit leeren Händen da, während die Schonzeit für die externen Top-Radler vorbei ist. „Sollen sich die Franzosen doch gegenseitig fertigmachen; mir ist das recht“, hatte Pedro Delgado, der Vorjahreszweite, frohlockt, und auch Sean Kelly paßte die Bernard-Fignon-Euphorie gut in den Kram: „Da sich alles um die Franzosen dreht, habe ich mehr Ruhe.“

Ausgesprochen gut im Rennen liegt bisher der Bad Schussenrieder Rolf Gölz. Beim Zeitfahren belegte er den zwölften Platz, in der Gesamtwertung schob er sich auf Rang zehn vor. „Ich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden“, meinte der 25jährige Kapitän der von Ex-Weltmeister Jan Raas betreuten „Superconfex„-Mannschaft im Ziel des Zeitfahrens, und verwies darauf, daß bei der flachen Strecke „größere und schwerere Fahrer als ich, die höhere Gänge treten können, im Vorteil waren“. Auch Jan Raas zeigte sich erfreut über seinen Schützling. „Er fährt taktisch sehr stark und tut viel für seine Kameraden“, lobte Raas und widersprach damit dem Verdikt des diesmal wegen Verletzung nicht angetretenen Vorjahressiegers Stephen Roche (Irland), der Gölz als eine Art Trittbrettfahrer geschmäht hatte. Gölz selbst war bestürzt über die Angriffe aus Irland: „Diese Vorwürfe verstehe ich nicht. Eigentlich habe ich zu Roche ein gutes Verhältnis, aber vielleicht wurde er auch mißverstanden.“

Matti

7. Etappe: 1. Tebaldi (I), 2. Casado (F), 3. van Pooel (NL), 4. Planckaert (BEL), 5. Kelly (IRL)

Gesamtwertung: 1. Nijdam (NL), 2. Bauer (CAN), 9 Sek. zurück, 3. Breukink (NL) 29 Sek., 4. Vanderaerden (BEL) 50 Sek., 5. Bernard (F) 1:11, 6. Visentini (ITA) 1:12, 7. Mottet (FRA) 1:12, 8. Duclos-Lasalle (FRA) 1:35, 9. Brun (FRA) 1:38, 10. Gölz (GER) 1:45, 49. Bölts (GER) 3:44, 76. Dietzen (GER) 4:34, 95 Kappes (GER) 5:29.

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