: Frischer Wind für MBFR
Seit ihrer Eröffnung vor 15 Jahren haben die Wiener MBFR -Verhandlungen über Truppenreduzierung keine Ergebnisse erzielt. Statt also weiterhin auf Erfolge bei den multilateralen Gesprächen zu hoffen, sollten die Supermächte nun auf eigene Faust beginnen, die Gefahr eines konventionellen Krieges in Europa durch gezielte Abrüstungsmaßnahmen zu verringern. Dies ist die Kernthese einer Studie über „Sicherheit und Stabilität bei konventionellen Streitkräften: Unterschiedliche Vorstellungen vom Gleichgewicht“, die der frühere Abteilungsleiter im Pentagon, Leonard Sullivan, vergangenen Freitag in Washington für den Atlantischen Rat der USA vorlegte.
Um endlich einen Durchbruch zu erreichen, müßten die 23 Teilnehmerstaaten aus NATO und Warschauer Pakt allerdings ihren Führungsmächten vertrauen. Die Großmächte, die sowieso die meisten Waffen besitzen, könnten dann durch eine Reihe einseitiger, aber von der Gegenseite beantworteter Abrüstungsmaßnahmen rascher vorankommen.
Erste Schritte könnten die Herabstufung und Rückverlegung offensiver Einheiten sein und die Umwandlung aktiver Truppen in Reserve-Einheiten.
Bei den Wiener Gesprächen (MBFR) hatte man sich in all den Jahren noch nicht einmal auf die Truppenstärken einigen können, die man den Gesprächen zugrunde legen sollte. Nach Angaben des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London stehen weltweit 5,3 Millionen NATO -Soldaten 6 Millionen Soldaten des Warschauer Pakts gegenüber. Zwischen Atlantik und Ural bewachen 2,38 Millionen Soldaten der NATO 2,29 Soldaten des gegnerischen Militärpakts. Angesichts der Millionenstärke des Warschauer Pakt-Heeres hätte der Abzug der etwa 65.000 sowjetischen Soldaten aus Ungarn eher symbolischen Wert. Immerhin deutet die Diskussion über einen möglichen Abzug an, daß im Kreml die Angst nachläßt, die kleineren Staaten Osteuropas würden sich nach kapitalistischem Muster entwickeln, sobald die sowjetischen Truppen aus diesen Ländern abgezogen werden. Im Gegenteil: Die Diskussion gibt Anlaß zu der Vermutung, daß die Sowjetunion - ähnlich wie die USA gegenüber ihren Alliierten - dazu übergeht, ihre Bündnispartner stärker an den Verteidigungslasten zu beteiligen. Immerhin soll der Anteil der Sowjetunion an den Streitkräften des Warschauer Pakts 46 Prozent betragen, während die amerikanischen Truppen 11 Prozent der NATO-Landstreitkräfte in Europa ausmachen.
Michael Fischer
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