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Takt- und hirnlos-betr.: "Nehmet hin und esset", taz vom 5.7.88

betr.: „Nehmet hin und esset“, taz vom 5.7.88

Den Artikel, das Thema (die taz von Ostern '87 habe ich nicht (noch nicht) gelesen, finde ich unappetitlich und politisch dumm. Man muß nicht Katholik sein, um sich darüber zu empören. Noch nie was von Takt gehört? Wer einem verwickelten religionsgeschichtlichen Phänomen nicht gewachsen ist (das Fremdwort heißt übrigens „Transsubstantion“ und ist nur im Singular sinnvoll) sollte die Finger davon lassen; jedes Thema läßt sich nicht locker verwursten.

Übrigens: religiöse Menschen, die politisch links stehen, sollten nicht taktlos verletzt werden in ihren Gefühlen. (Genau, wenn schon verletzen, dann taktvoll! d.sin)

Hans Rothkegel, Hamburg 53

(...) Was mich erschüttert, das ist der kannibalische Trieb, seinen Witz mit Opfern treiben zu müssen. Bei Sartre kannst Du nachlesen (L'etre e le neant), was hinter sadistischen Praktiken im existenzialistischen Sinne steht: der Versuch, eine verdinglichte Person dem eigenen, negativen Subjekt einzuverleiben. Eine ganze Menge von Satiren lebt aus verhaltenem Sadismus. Meist ist das der Fall, wenn politische Ideale aufgegeben wurden zugunsten des Eigennutzes. So hat schon Ludwig Thoma im Simplizissimus die Entwicklung vom Oppositionellen zum Großmaul a la SA vorexerziert.

Zu der Art, wie ihr das Folteropfer Jesus inszeniert: Da ist nicht das minimalste politische Argument genannt, um den ausgedruckten Unrat zu rechtfertigen. Ich könnte mir etwa einen Vorwurf denken in der Art: Das Abendmahlritual verkehrt sich zu einer makabren Zeremonie, weil hier sozusagen Jesus zum Schweigen gebracht wird. Das wäre ein Angriff auf die Gläubigen und ihre Kirchen, nicht aber auf Jesus, der, nebenbei, aber klar gesagt, für mich der „Christus“ ist. Nein, die bloße Lust, das unverstandene Fremde zu verspotten, wird zum Motiv. Man fragt sich ja, wann denn demnächst jüngere politische Opfer von euch verhöhnt werden, wann etwa die Aussagen und Abschiedsworte der KZ-Opfer satirisch serviert werden.

Mich ekeln solche schnauzig dümmlichen Lustbarkeiten an. Sie erinnern mich an die wildgewordenen, braunen Spießer, deren Triumph die Ignoranz war. Auch semitische und slawische Physiognomien nach der niederen Phantasie des arischen Kleinbürgers fand ich nie zum Lachen.

Ich bin durchaus der Meinung, daß die Gerichtsverhandlung berechtigt ist, obwohl ich mich im Gegensatz zum 'Bayernkurier‘ nicht als Opfer betrachte. Die Tragik ist ja gerade, daß nicht etwa der 'Bayernkurier‘ getroffen wird von dieser Art Humor, oder ich, sondern vielmehr die Humanität ganz allgemein. Ich könnte nicht mehr guten Gewissens einen Antidiskriminierungsparagraphen fordern für Schwule, Ausländer und andere Minderheiten, wenn ich gleichzeitig derartig hirnlose Zynismen gegen religiöse Vorstellungen von mindestens zutiefst menschlicher und verantwortlicher Herkunft tolerieren würde.

Alois Loeßl, Berlin 37

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