: Hessen sichert seine „Diätenbeute“
„Schlammschlacht“ im hessischen Landtag um die Änderung des Diätengesetzes / Zur Abwehr eines Gesetzesantrags der Grünen hatten die etablierten Parteien ein eigenes neues Gesetz vorbereitet ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Wiesbaden (taz) - Um's „Abzocken“ ging es gestern im hessischen Landtag bereits am Vormittag. Da stritten sich die anwesenden 109 ParlamentarierInnen allerdings um fiktive Gelder, die dann anfallen werden, wenn das Land Hessen im nordhessischen Kassel eine neue Spielbank einrichten sollte.
Am Nachmittag ging es dann um die real existierende „Kohle“ im eigenen Sack. Die mehr als saftige Diätenerhöhung, die sich die VolksvertreterInnen aus den Reihen von CDU, FDP und SPD - gegen den Widerstand der Grünen - erst im Februar dieses Jahres höchstselbst genehmigt hatten, sollte auf Antrag der Grünen für null und nichtig erklärt werden. Doch das grüne Gesetz zur Aufhebung des Diätengesetzes war im hessischen Landtag nicht mehrheitsfähig. Um die „Beute zu sichern“ (Joschka Fischer), hatten sich die etablierten Parteien schon im Vorfeld der Debatte darauf verständigt, einen eigenen Gesetzentwurf einzubringen, der auf eine Änderung des von den Etablierten im Februar verabschiedeten „Bereicherungsgesetzes“ (Grüne) abzielt. Was jedoch - nach der geharnischten Kritik des Verfassungsrechtlers Arnim am noch bestehenden Gesetz - konkret geändert werden soll, blieb bei der Einbringung des Entwurfs durch die parlamentarischen Geschäftsführer der etablierten Parteien weitgehend offen. Nach den Vorstellungen von CDU, FDP und SPD soll eine parlamentarische Kommission bis zum Herbst entsprechende Änderungsvorschläge erarbeiten, damit das „überarbeitete Gesetz“ (CDU) dann verfassungskonform „und für die Bevölkerung verständlich“ (SPD) wird.
Für die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Iris Blaul, ist diese „Absichtserklärung“ der Etablierten dagegen der „Versuch, auf Zeit zu spielen“. Wie das Gesetz zu Jahresbeginn durchgepeitscht worden sei, sei „Ausdruck der Verkommenheit der parlamentarischen Demokratie in diesem Lande“ - damit war die „Schlammschlacht“ im hessischen Landtag eröffnet. Der CDU-Abgeordnete Jung warf den Günen „Heuchelei“ vor und erinnerte unter dem Stichwort: „Weiße Westen - schwarze Kassen“ an die „zahlreichen grünen Finanzskandale“ der letzten Monate. Jung: „Noch keine andere Partei hat so in die Staatskasse gegriffen, wie das die Grünen zur Finanzierung ihrer Klientel getan haben.“ Als Jung dann noch Joschka Fischer konkret vorhielt, daß der Grüne über 100.000 DM, die Fischer den „Übergang vom Staatsminister zum Fraktionsvorsitzenden abfedern sollten“, gerne angenommen habe, hielt es Fischer nicht mehr auf dem Platz: „Herr Jung! Sie verwenden die Methoden eines politischen Drecksacks!“ Dafür gab's dann eine Rüge von der amtierenden Vizepräsidentin, die der Ex-Minister widerspruchslos hinnahm.
Am Ausgang der Debatte konnten aber auch die leidenschaftlichen Vorträge der Kombattanten nichts mehr ändern. Der Landtag verabschiedete in erster Lesung den Gesetzentwurf der Etablierten. Wann und wie das Gesetz dann tatsächlich geändert und auch verabschiedet wird, steht noch in den Sterntalern.
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