piwik no script img

Politik wie am Arsch der Welt

■ Neue Hundekotregelung für Berlin ist seit gestern in Kraft / CDU-Fraktionschef Buwitt sorgt für Koalitionsstreit im Senat und kritisiert den Umweltsenator Starnick (FDP) / Eine Entsorgung des Hundekots ist nicht gewährleistet / Drei Monate Schonfrist

„Ick hab 'ne kleine Schippe mit und Klopapier, falls die Polizei kommt“, sagt eine ältere Frau, die mit ihrem Cockerspaniel jeden Tag mehrmals spazieren geht. „Bis jetzt“, meint sie trotzig, „hat mein Hund überall hingekackt und wird das auch weiterhin tun.“ Die Änderung des Straßenreinigungsgesetzes, nach der seit gestern alle HundebesitzerInnen mit 20 DM Bußgeld bestraft werden können, wenn sie die Absonderungen ihrer Lieblinge nicht wegräumen, empfindet sie als „glatte Zumutung“. „Da müßte man mal vorm Rathaus demonstrieren und die Scheiße da abladen.“

Die Gesetzesänderung, die auf einen Antrag der AL zurückgeht und bei den Altparteien Zustimmung fand, sorgt unterdessen für heftigen Streit in der Senatskoalition. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Buwitt warf FDP-Umweltsenator Starnick Untätigkeit und mangelhafte Vorbereitung der Gesetzesänderung vor.

In den vier Wochen seit dem Beschluß des Abgeordnetenhauses sei „nichts geschehen“, was den Berlinern eine „gesetzmäßige Entsorgung des Hundekots“ ermögliche.

Die Senatsverwaltung hatte zunächst den Hundehaltern empfohlen, den Kot in die Mülleimer zu werfen. Fäkalien gelten aber nach dem Stadtreinigungsgesetz ausdrücklich nicht als Müll. Die Verbraucherzentrale und die BSR hatten daraufhin Protest erhoben, und so rät die Verwaltung jetzt, die Hundescheiße auch ins Klo zu schmeißen.

Umweltsenator Starnick hat indessen die Vorwürfe von Buwitt zurückgewiesen. „Herr Buwitt müßte wissen, daß nach der Diskussion in der CDU-Fraktion aufgrund der Aufhebung des Fraktionszwanges nahezu die Hälfte der Mitglieder seiner eigenen Fraktion am 16.Juni für die Gesetzesänderung gestimmt haben“, erklärte Starnick gestern. In einer solchen Situation stünde es dem Senator und seiner Verwaltung nicht an, Abgeordneten vorzuschreiben, wann und wie sie Gesetze, die sie selbst formulierten, beschließen.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Fabig, bezeichnete die Kritik von Buwitt als ein „durchsichtiges Wahlmanöver der CDU“. Senatssprecher Fest bemühte sich dagegen, die erhitzten Gemüter zu beschwichtigen. „Vernunft ist angesagt“, erklärte er, alle Mitbürger sollten die Frage der Hundekotbeseitigung in friedlichem Miteinander, sowie mit Geduld, Nachsicht und Hilfsbereitschaft regeln.

Bis zum 30.September soll die Senatsverwaltung in Zusammenarbeit mit der BSR einen Bericht über mögliche Entsorgungsmaßnahmen von Hundekot vorlegen. Bis dahin wird auch Hundehaltern, deren Lieblinge weiterhin die Gehwege beschmutzen, keine Bestrafung drohen, erklärte der Pressesprecher des Umweltsenators, Klaus Kundt. Die Polizei muß zwar Anzeigen entgegennehmen, doch für die nächsten drei Monate werden, so Kundt, die zuständigen Einwohnermeldeämter keine Bußgelder verhängen.

Das erste Opfer des neuen Gesetzes hat die Polizei allerdings schon gestern am Hermannplatz in Neukölln aufgelesen. Mit einer Leine an einen Laternenpfahl festgebunden war dort ein Schäferhundmischling. Er trug ein Schild um den Hals mit der Aufschrift: „Ich heiße Rocky und habe meiner Familie sieben Jahre lang viel Freude bereitet, doch nun ist kein Platz mehr für mich auf der Straße ... Hunde aller Nationen, vereinigt euch.“ Die Polizei brachte den Vierbeiner in die Tiersammelstelle.

an

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen