Zwei RegentInnen über StudentInnen

■ Sowohl der alte „Alternative“ als auch der neue „Marxistisch-Sozialistische„-ASTA betrachten sich als rechtmäßig gewählt / „Wenn das Chaos noch weitergeht, sitzt in zwei Wochen der Staatskommissar hier“

Das gab es seit den Tagen der Novemberrevolution anno 1918 nicht mehr in Bremen: Die politische Doppelherrschaft. Diverse Bremer StudentInnen-Organisationen machten's möglich. Seit Donnerstag beanspruchen zwei unterschiedliche ASTA-Koalitionen gleichzeitig Regentschaft und politisches Mandat. Beide ASTen teilen sich seither mehr oder weniger schwesterlich die Räumlichkeiten auf der ASTA-Etage. Welche Fraktion hinter welcher Türe sitzt, richtet sich danach, wer am Umsturztag zufällig welche Schlüssel mit sich führte. Bis

her kam es nur einmal zu Tätlichkeiten, als ein Regierungsmitglied ein „feindliches“ mit einem Rucksack ertappte und einem vermeintlichen Diebstahl von ASTA -Gerätschaften zuvorkommen wollte.

Grund zum Mißtrauen besteht. Denn vor Monaten waren bereits ASTA-Kopierer und ASTA-Computer abhanden gekommen. Ausgerechnet am Vorabend des Umsturzes verschwanden die beiden ASTA-Schreibmaschinen. In letzterem Fall wurde die Polizei alarmiert, denn beide Regierungskoalitionen verdächtigen

sich wechselseitig, einander die politischen Produktionsmittel entzogen zu haben. Kurzzeitig verschwunden waren zudem auch die hochwichtigen Marken, die der ASTA in einem hoheitlichen Akt in die StudentInnenausweise kleben darf. Sie sollen auf dem Schreibtisch eines Juso-Referenten wiedergesehen worden sein.

In ihren verschiedenen Zimmern warten derweil sowohl die „alte, alternative“ Asta-Mehrheit als auch die „neue, marxistisch-sozialistische“ gespannt auf ein klärendes Wort der Uni-Rechtsstelle, die als „Unparteiische“

klären soll, welche StudentInnen-Regierung denn nun legitim ist und welche nicht. Zwar hatte Rechtsberaterin Gerlinde Walter einen Teil der tumultartigen Wahl-Sitzung persönlich mitverfolgen können, doch mochte sie heute noch kein entgültiges Urteil sprechen. Die Sitzung sei einfach zu chaotisch gewesen.

Zulange parallel ausharren können die beiden halsstarrigen ASTen jedoch nicht. ASTA-Juso Thomas Schlingmann: „Wenn das Chaos noch weitergeht, sitzt in zwei Wochen der Staatskommissar im ASTA.“ Vor allem die Wissenschafts -Behörde wird ungeduldig. Abteilungsleiter Rainer Köttgen: „Ich habe nicht mit dem Staatskommissar gedroht, drohen tue ich grundsätzlich nicht. Aber Universität und ASTA müssen schnell eine Lösung finden.“

Hintergrund des Kleinkrieges auf der ASTA-Etage: Der „alte“ ASTA (Autonome, Feministinnen, Alternative und Jusos) hatte es auf ein Defizit von 150.000 Mark gebracht und war geplatzt. Hauptstreitpunkt: Die Geldforderungen autonomer Männer und Frauen in Höhe von 18.000 Mark für autonome Projekte in der Stadt.

Am Donnerstag waren die Ju

sos eine neue Koalition mit „Tu Was„(MSB) und „Asta für alle„(SHB) eingegangen, die sich mit mit ihrer 13 Stimmen -Mehrheit selbst ins Amt wählte. Nach Auffassung der AAL war die Sitzung jedoch schon vor dieser Neuwahl als beschlußunfähig abgebrochen worden, zudem habe es die „neue“ Asta-Vorsitzende Myrle Dziak nur auf 12 Stimmen gebracht, da das Juso-Ratsmitglied Gerald Wagner ihr sein Votum versagt habe.

Der „neue“ ASTA will sich derweil mit der Sanierung der Finanzen befassen. Unmittelbar nach seiner „Wahl“ hielt er Rücksprache mit der senatorischen Behörde und dem Uni-Rektor Timm. Letztere machten den „Neuen“ zur Auflage, bis zum 30. September mit jeder offenen Rechnung zur universitären Haushaltsabteilung zu marschieren, und von dort die notwendigen Überweisungen tätigen zu lassen. Zur Zeit befinden sich auf dem ASTA-Konto bei der Sparkasse 35 Mark.

Das Ringen um die Regentschaft geht auf jeden Fall weiter: Für nächsten Donnerstag ist wieder eine Rats-Sitzung angesetzt und wenn alles nicht hilft: Ende November gibt's Neuwahlen.

Barbara Debus