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Erpel-Chauvis schießen und genießen

■ Grüner MdBB beunruhigt: Warum sind über 500 grünhälsige, brutal kopulierende Erpel aus den Wallanlagen verschwunden? / Mauser und Jäger verantwortlich

Paul Tiefenbach, grüner Bürgerschaftsabgeordneter, machte jüngst in den Wallanlagen eine beunruhigende Entdeckung, die Anlaß zu grausigen Spekulationen gab: Urplötzlich waren all die rund 550 Wall-Enten-Männchen mit den schmucken grüngefiederten Hälsen verschwunden. Hatten Jäger bei Nacht und Nebel ein ganzes Geschlecht ausgerottet?

Die taz-Redaktionskonferenz konnte sich keinen Reim auf die Beobachtung machen. Allerdings wußte Redakteur K.S., wohnhaft mit direktem Blick auf die Wallanlagen, die Jäger -These zu entkräften, war er doch in den letzten Wochen nicht von nächtlichem Geballere aufgeschreckt worden.

Die Recherche begann, und eine Mitarbeiterin des Gartenbauamtes verwahrte sich gegen vermeintliche Unterstellungen: „Unsere Gärtner gehen da nicht bei und drehen denen die Hälse um, da haben die keine Zeit zu.“ Von Trauer allerdings sei in ihrem Amt nichts zu spüren: „Die Enten paddeln da so massenhaft rum. Wenn die weg sind, weinen wir nicht drum.“ Die lästigen Enten würden schließlich mit ihrem Kot das Wasser im Wallgraben verunreinigen und die Hänge, die das Gartenbauamt mühsam pflege, wieder platt treten. Mehr über den Lauf der Natur und das Verschwinden der grünen Erpelhälse weiß schließlich ein Gärtnermeister: „Zum Sommer hin verlieren die Erpel ihr Schmuck-, ihr Hochzeitskleid. Aber im Herbst werden die wieder schön und trutzig.“ Die Erpel-Mauser ist rechtzeitig im Oktober beendet, das „Schlicht-und Ruhekleid“ wieder abgelegt, wenn der Nachwuchs groß ist und die Wildenten mit frischem Gefieder davon fliegen wollen. „Das steht in jedem Biologie-Buch drin“, weist ein Beamter die Reporterin zu

recht, aber, so ein anderer, es sei schon als positiv zu vermerken, daß der Grüne Abgeordnete „immerhin gemerkt hat, daß sich was geändert hat.“

Die Recherche war mit dieser Auskunft allerdings nicht beendet, ergab sich doch noch überraschender Kontakt zu dem versiertesten Bremer Wall-Erpel-Informanten, dem passionierten Jäger und Verwaltungsoberinspektor Horst Büther. Büther besitzt seit 1972 das Jagdrecht in den Bremer Wallanlagen. Dieses Anrecht auf die Erpel in dem „befriedeten“ innenstädtischen Bezirk hat ihm das Gartenbauamt erteilt. Dessen Mitarbeiter Heinrich Schröder: „Es hat sich rumgesprochen in Erpelkreisen, daß in den Wallanlagen so viele schöne Entenfrauen sind. Die Erpel fliegen ein und beunruhigen zu viert oder zu fünft die Entenfrauen. Sie wissen

schon. Das sieht fürchterlich aus, dabei meinen die das nett und gut. - Was meinen Sie, wieviele Omas hier anrufen, wenn fünf Erpel hinter so einem Enten-Mädchen her sind: 'Sie müssen was tun, die Erpel tauchen die Enten unter.'“ Etliche Enten-Frauen mußten nicht nur in den Wall-Anlagen die Erpel -Plage schon mit ihrem Leben bezahlen, mit einer Übermacht von 5:1 wüten die Erpel-Chauvis im Wallgraben, bevorzugt zu Wasser.

Der Hobbyjäger Horst Büther geht im Frühjahr und im Herbst in den Wallanlagen auf die Pirsch. Anfang Mai schießt er auf Silbermöven, die mit Vorliebe kleine flaumige Enten-Küken verputzen. Erst im Oktober wendet er sich den Erpeln zu. Denn dann ist die Mauser vorbei, und die Erpel sind unkomplizierter als Wildbret zuzubereiten. Dann sind die klei

nen Federn aus der Haut herausgewachsen, das Tier läßt sich in einer dreiviertel Stunde problemlos rupfen und ergibt eine leckere Mahlzeit für zwei Personen.

Immer Sonntags früh geht Büther mit seinem Hund los zur Erpeljagd, und war auch schon so „gemein“, Erpel direkt von einer Ente runterzuschießen. Wenn die ersten SpaziergängerInnen Gassi gehen, muß er allerdings aufhören mit dem Jagen. So bringt er es Jahr für Jahr auf rund 100 tote Erpel, die er längst nicht alle selbst verspeist: „Ich verschenke die Dinger auch, wenn da jemand lang kommt.“ Eine Anregung für den grünen Abgeordneten, sich einmal sonntags morgens am Wall die Füße zu vertreten und so Abwechslung in seinen Speiseplan zu bekommen.

Barbara Debus

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