: Wissenschaft und Technik: Natürliches Gift (Zeitschrift: "Naturwissenschaften" 3/88)
Nicht alles in der Umwelt registrierte Benzol kommt aus Autoauspuffen. Das krebserregende Gift entsteht auch im Bodenschlamm von überdüngten Seen. Friedrich Jüttner, Pflanzenphysiologe an der Universität Tübingen, berichtet in der Zeitschrift 'Naturwissenschaften‘ (3/88) von Untersuchungen am Schleinsee, im Südwesten der Bundesrepublik, zehn Meter tief und 0,15 Quadratkilometer groß. In dessen Tiefenwasser finden sich im Sommer jeweils auffallend hohe Benzol-Konzentrationen, bis zu 100 Milliardstel Gramm pro Liter. Aus der Luft kann das Benzol nicht kommen, da es sich im Bereich der Oberfläche nicht nachweisen läßt. Daß die Anreicherung nur im Sommer und Herbst stattfindet, ist ein weiterer Beweis, daß der Stoff aus dem See selber stammen muß: dann nämlich ist das Gewässer stabil geschichtet. Wenn die fallenden Außentemperaturen diese Schichtung aufheben und Stürme das Wasser umwühlen, verschwindet das Phänomen. Mikroben im Bodenschlamm sondern das Zeug ab, wie auch Forschungsarbeiten an der Universität Zürich zeigen. Seen wie der Schleinsee sind stark überdüngt, große Mengen organischer Substanz, vor allem in Form von Algen, entstehen und sammeln sich nach ihrem Absterben am Grund. Dort genügt der Sauerstoffgehalt nicht zum vollständigen Abbau dieses „Biomülls“. Fäulnisprozesse setzen ein, bei denen Bakterien neben Faulgasen auch Kohlenwasserstoffverbindungen wie Benzol erzeugen. Als direkter Indikator für die vom Menschen herrührende Umweltverschmutzung dürfte das Benzol damit ausgedient haben, schreibt der Deutsche Forschungsdienst, denn man könne mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß auch im Bodenschlamm anderer überdüngter Seen Benzol entstehe - ohne Hilfe von Menschenhand freilich kommt auch die Überdüngung nicht zustande.
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