Geben und Nehmen

■ Scherfs Behörde macht Rückzieher / Weniger Fahrgeld für arbeitswillige Sozi-EmpfängerInnen, aber höhere „Mehraufwandsentschädigung“

Mit einem Geschenk unterm Arm war Gertrud Janzer-Bertzbach, Senator Scherfs Referentin für Sozialhilfe, gestern nachmittag ins Jakobus-Haus gekommen: Statt 40 soll es in Zukunft 50 Mark mehr „Mehraufwandsentschädigung“ für Sozi -EmpfängerInnen geben, die „gemeinnützige Arbeit“ leisten. Aber die etwa 35 TeilnehmerInnen an der Vollversammlung des Wohnheims wollten einfach nicht lächeln. Im Gegenteil: Der Zorn über die geplante Halbierung des Fahrgeldzuschusses ging volles Rohr über der smarten Referentin nieder.

Zur Vorgeschichte: Der Behörde war aufgefallen, daß sie den Sozi-Empfängern, die „gemeinnützige Arbeit“ leisten, eine

„Bremer Karte“ für den Arbeitsweg spendiert, obwohl in der Sozialhilfe schon 20 Mark für Fahrgeld enthalten ist. (vgl. taz von vorgestern). Also wollte Sozial

amtschef Hartung den arbeitswilligen Sozi-EmpfängerInnen, die mit Bus oder Bahn zu ihren Arbeitsplätzen fahren, die „Bremer Karte“ nicht mehr voll ersetzen, sondern nur noch zur Hälfte.

Die Umsetzung dieser Pläne ist ausgesetzt, seit die taz sie öffentlich machte. Sozi-EmpfängerInnen, denen schon die Hälfte ihres Fahrgeldes vom Amt abgezogen worden ist, können sich nachträglich den vollen Betrag auszahlen lassen. Das hat Frau Janzer-Bertzbach gestern zugesagt.

Doch aufgeschoben ist nicht

aufgehoben: Frau Janzer Bertzbach ließ gestern keinen Zweifel daran, daß aus der Sicht der Behörde den Sozi-EmpfängerInnen keine volle „Bremer Karte“ zusteht. Aber: In der Behörde werde über eine höhere „Mehraufwandsentschädigung“ nachgedacht, teilte sie mit. In Zahlen: 40 Mark pro Woche bekommt eine Sozi -EmpfängerIn bisher zusätzlich zur Sozialhilfe, wenn sie arbeitet, anstatt auf der faulen Haut zu liegen. In Zukunft könnten es fünfzig sein. Im Monat hätten sie also ein zusätzliches Einkommen von etwa 40 Mark. Zwanzig Mark knapst ihnen die Behörde beim Fahrgeld wieder ab.

Hohngelächter, Gemurmel

und auch wütende Atacken auf die Botin des Sozialsenators waren die Antwort gestern im Versammlungsraum des Jacobushaues. „Wenn gekürzt werden soll, warum kommen Sie dann immer zu uns, den Ärmsten und den billigsten Arbeitskräften. Warum gehen sie nicht zu denen, die das Geld haben, wie zum Beispiel dem Galla vom St. Jürgen -Krankenhaus?“ Von solchen Gedanken konnte sich die Versammlung gestern partout nicht lösen.

Eine Ungereimtheit war aufgefallen: Ein Bremer Behördenbote bekommt 35 Mark für seine „Bremer Karte“ ersetzt. Macht eine Sozi-EmpfängerIn die gleiche Arbeit, muß sie 20 Mark für ihre Karte selbst bezahlen.

mw