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Hör-Funken: Raymond Chandler

Sätze aus kaltem Stahl. Raymond Chandler würde am 23.Juli 1988 100 Jahre, hätte er nicht schon am 26.März 1959 in La Jolla, California, das Lebensziel erreicht: den Tod. Jubiläumsnotorisch wird der Geburtstag auch in seiner Abwesenheit in diesen Tagen quer durch alle Zeitungsspalten und Rundfunkkanäle gejagt, warum auch nicht, wenn dadurch nur diese kristallinen Bilder, Sätze und Wendungen, von denen seine Romane und Erzählungen voll sind, unter die Leute kommen und in der Welt bleiben: Weltkristalle, bei denen das Herz plötzlich anfängt wild zu pochen und niemand weiß, ob wegen ihrer Schönheit oder weil die maßlose Bösartigkeit der Welt aus ihnen hervor und nach der Kehle greift: „Verbrechen ist keine Seuche, sondern ein Symptom. Die Polizei kommt mir dabei immer wieder wie ein Arzt vor, der gegen einen Gehirntumor Aspirin verschreibt, einmal abgesehen davon, daß sie ihre Krankenbesuche überhaupt lieber mit dem Gummiknüppel absolvieren würde.“ Unnötig, über das Leben, über Chandler und gar über sein Weltbild mehr Worte zu verlieren als er selbst: „24 Stunden am Tag läuft jemand davon, 24 Stunden am Tag läuft jemand hinter ihm her, um ihn zu fangen. Da draußen in der Nacht der tausend Verbrechen starben Menschen, wurden verstümmelt, von fliegendem Glas zerschnitten, vom Steuerrad zerquetscht oder von schweren Reifen. Menschen wurden zusammengeschlagen, ausgeraubt, gewürgt, vergewaltigt und ermordet. Menschen waren hungrig, krank, gelangweilt, verzweifelt vor Einsamkeit oder Reue und Angst, waren zornig, grausam, fiebernd erregt, von Schluchzen geschüttelt. Eine Stadt, nicht schlimmer als andere, eine Stadt, reich und kraftvoll und stolz, eine Stadt, verloren und verlassen und voller Leere. - Es hängt alles davon ab, wo man sitzt und in welcher Lage man ganz privat selber ist. Ich war in keiner. Mir konnte's egal sein. - Ich trank mein Glas aus und ging zu Bett.“ Schneidend, kurz und nie trocken: Chandler. Über die Radiokanäle werden in den kommenden Tagen folgende Chandler-Sendungen verschifft:

Heute: „Schüsse bei Cyrano“, Hörspiel nach Chandler von Hermann Naber, 2005 - 2110, Bayern 2

„Ein Typ wie Marlowe“, Feature von Thomas Degering, 2235 2330, RIAS 1

Sonnabend: „Ich werde warten“, Erzählung, gelesen von Christian Brückner, 1700 - 1800, Bayern 2

„Ein Schriftstellerpaar“, Hörspiel nach Chandler von Hermann Naber, mit anschließenden Bemerkungen zu Chandlers Werk von Herrn Naber, 2005 - 2200, Deutschlandfunk

Sonntag: „Zonen des Zwielichts“, Feature von Gerd Ueding, 1705 - 1800, NDR 3

„100 Jahre Chandler“, Feature von Anne Wispler und Wolfgang Koser, 2000 - 2200, Radio 100 Berlin

„Der Mann, der Hunde liebte“, Hörspiel nach Chandler von H.Naber, 2100 - 2200, SWF 1

„Die hohe Kunst des Mordens“, Feature von Thomas Degering, 2230 - 2300, Hessen 2.

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