: Das ist Hollywood von morgen...
■ Über Dreharbeiten in Südafrika
Status Quo haben von der UNO und von Musikfans gleichermaßen eine Kopfnuß erhalten, weil sie munter in Südafrika herumgetourt sind. Linda Ronstadt hat Abbitte geleistet, das eine oder andere „mea culpa“ gebetet dafür, daß sie in Sun City aufgetreten ist. Unsereiner freut sich, daß es in den Läden endlich Weintrauben aus Italien gibt, und nicht nur die aus Südafrika, die wir sowieso nicht kaufen...Und für Woody Allen ist es eine Selbstverständlichkeit, daß seine Filme nicht in Südafrika gezeigt werden.
Und doch: Mehr Filme denn je werden und wurden in Südafrika gedreht. Keine südafrikanischen, sondern amerikanische. Gedreht von skrupellosen Kinobanausen und Schauspielern, die zu gerne stets die bewußt-bestußte Verbalinjurie im Munde führen: „Ich bin Schauspieler und kein Politiker.“ Zu den ersten Filmen am Kap gehörte, wen verwundert es - die Cannon -Gruppe. Trotz Kulturboykotts und Handelssanktionen drehten die in den letzten Jahren dort zum Beispiel: „Going Bananas“ mit Dom DeLuise, „American Ninja“ mit Michael Dudikoff, „Gor“ mit Oliver Reed, „Mercenary Fighters“ mit Peter Fonda, oder „Dragonard“ mit Eartha Kitt.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde diese Filmerei in Südafrika erst bekannt durch die Machenschaften bei den Dreharbeiten zu „Der rote Skorpion“ mit Dolph Lundgren. Der Produzent des Filmes, Jack Abramoff, ist ein Bewunderer von Oliver North und dessen Aktionen in und gegen Nicaragua. Ursprünglich wollte Abramoff einen halbstündigen Lehrfilm für Universitäten über Oliver North drehen, doch dann nahm er den 30- Millionen-Mark-Streifen „Der rote Skorpion“ in Angriff, eine dümmliche Story um den kürzlich in Bonn hofierten antikommunistischen Terroristen Savimbi aus Angola und dessen blutrünstige Guerillatruppe, die von Südafrika unterstützt wird. Amerikanische und südafrikanische Geldgeber waren schnell gefunden, die südafrikanische Armee unterstützte die Dreharbeiten wo und wie sie nur konnte mit Menschen und Maschinen. Alles schien wunderbar, doch dann berichteten Zeitungen in Namibia über die sonderbaren Verquickungen, und der us-amerikanische Verleih ließ den Film fallen wie eine heiße Kartoffel. Seitdem schmort „Der rote Skorpion“ im Archiv. In einer Zeit, in der die Massenproteste gegen das Apartheidregime so groß sind wie nie zuvor in der Geschichte, in einer Zeit der Massenverhaftungen, der Kinderinternierungen, der Exekutionen, der schlimmsten Zensurmaßnahmen überhaupt, sind in Südafrika gut ein halbes Dutzend Produktionsgesellschaften und ein Dutzend amerikanischer Schauspieler, mehr oder weniger heftig in Filmprojekte verstrickt. Das teilte kürzlich die Gewerkschaft der Regisseure in Hollywood mit.
Die finanziellen Anreize, in Südafrika zu filmen, sind außergewöhnlich stark, nicht zuletzt durch den günstigen Wechselkurs Dollar: Südafrikanischer Rand. Außerdem gibt es viele Banken und Privatleute am Kap, die ihr Geld in aufwendigen Großproduktionen anlegen wollen. Für Außenaufnahmen ist Südafrika ebenfalls bestens geeignet, denn schon 40 Autominuten außerhalb Johannesburgs gibt es massenhaft außergewöhnliche, von der Zivilisation noch unberührte Drehorte. „Südafrika ist das Hollywood von morgen“, sagt dann auch der Schauspieler Cameron Mitchell, der schon oft hier gefilmt hat.
Weil Südafrika ein politisches Minenfeld ist, versuchen die Produktionsgesellschaften ihre Arbeit im Land geheim zu halten, und arbeitslose Schauspieler in den Staaten sind schwer in der Klemme: Arbeitslos in Amerika, oder hochbezahlte Jobs in Südafrika, die dann allerdings auch Arbeit für den Apartheidstaat sind? Jennifer O'Neil, Jack Palance und Peter Fonda, die in Südafrika gedreht haben, lehnen es grundsätzlich ab, dazu Stellung zu nehmen.
Nur wenige Schauspieler, wie zum Beispiel der unbekannte Kenneth Tigar, dessen Film „Endlich wieder 18“ demnächst in unsere Kinos kommt, lehnen es ab, in Südafrika zu arbeiten, verkünden dies auch noch in einer Anzeige im Branchenfachblatt „Variety“. Deutliche Aussagen wie diese aber sind selten. Die meisten beantworten die Frage, ob es sich denn lohne, für ein paar Dollar mehr in Südafrika zu drehen, und dieses Geld auf dem Rücken der Schwarzen zu verdienen, mit einem hingemurmelten „Ja“. In Südafrika produziert und momentan im Kino übrigens: „Dirty Tiger“ mit Patrick Swayze.
Reiner Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen