: Herr Professor hat belästigt
■ Im „Gynäkologen-Prozeß“ wurde die angeklagte Studentin vom Vorwurf der Verleumdung freigesprochen / Belästigung durch den FU-Professor sei erwiesen
Der sogenannte Gynäkologen-Prozeß gegen eine Medizin -Studentin der FU endete gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten mit einem Freispruch für die Angeklagte. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwältin.
Die Studentin war von dem Gynäkologie-Professor Horst Lemtis (64) wegen Verleumdung und übler Nachrede angezeigt worden. Sie hatte ihn auf einer Sitzung des Fachbereichsrates beschuldigt, Kommilitoninnen sexuell belästigt zu haben (die taz berichtete). Das Gericht hielt es für erwiesen, daß der Gynäkologe in Einzelfällen Studentinnen belästigt habe. Die Zeuginnen des Nebenklägers hätten den Vorwurf nicht entkräften können, da es für die Lemtis vorgeworfenen Fälle keine Zeugen gegeben habe. Die Anwältin der Angeklagten, Alexandra Goy, forderte nach der Urteilsverkündung, den Fall dorthin zurückzugeben, wo er hingehöre. Es sei Aufgabe der Universität, über die „Ehre des Professors“ zu reden.
Im Mittelpunkt der gestrigen Verhandlung stand die Anhörung weiterer Zeuginnen. Zwei ehemalige Studentinnen berichteten von sexuellen Belästigungen. Zugunsten des Gynäkologen sagten zwei seiner Mitarbeiterinnen und eine Tutorin aus. „Bei uns ist es immer sauber zugegangen“, sagte Lemtis‘ Sekretärin. Des weiteren wurde von Lemtis‘ Anwalt beantragt, rund 40 Schreiben von StudentInnen seiner Lehrveranstaltung vorzulesen. Lemtis hatte sie im Sommersemester zu Stellungnahmen aufgefordert. ProzeßteilnehmerInnen wiesen darauf hin, daß es sich um einen gynäkologischen Anfängerkurses handele, dessen Teilnehmer - Männer und Frauen - wohl kaum über die Vorgänge im Bilde sein könnten. Bereits letzte Woche hatte Richter Amtor allerdings klargestellt, daß Professor Lemtis nicht vorgeworfen würde, alle Studentinnen belästigt zu haben. Dazu die Stellungnahme einer Prozeßteilnehmerin: „Wenn ein Mann wegen Vergewaltigung angeklagt ist, dann werden auch nicht alle Frauen der BRD vorgeführt, um zu beweisen, daß er sie nicht vergewaltigt hat.“ Zu dem Termin hatten sich rund 100 ZuschauerInnen eingefunden. Am vorangegangenen Verhandlungstag waren die BesucherInnen mit großem Polizeiaufgebot gewaltsam aus dem Gerichtsgebäude entfernt worden. Diesmal durften sie das Gebäude gar nicht erst betreten. Nur rund 30 abgezählte ZuschauerInnen wurden zugelassen. Sie mußten dafür über eine Stunde in einem abgeschlossenen Raum ausharren, da der Prozeßbeginn verschoben wurde. „Wie die Kaninchen“, wie eine Besucherin wütend anmerkte.
Frauke Langguth
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