: Scheibchen-Hoffnung
■ Arbeitsamtschef sprach mit „Dialog„-Lehrern / Ausschreibung für Aussiedler-Unterricht wird „ergänzt“ / Kleine Schulen kriegen „ein Scheibchen“
„Wir wollen nicht, daß die Ausschreibung an den kleinen Sprachschulen vorbeigeht.“ So umschrieb Arbeitsamtschef Ernst Domino gestern das Umdenken in der Spitze seines Amtes. Die Ausschreibung über den Sprachunterricht für 1.800 SpätaussiedlerInnen aus der Sowjetunion, Polen und Rumänien solle nun „ergänzt“ werden, versprach Domino. Auch kleine Schulen sollten „ein Scheibchen“ abkriegen.
600 erwachsene AussiedlerInnen pro Jahr, erheblich mehr als bisher, damit rechnet das Arbeitsamt für die Zukunft. Sie beherrschen die Sprache ihrer deutschen Vorfahren nur stückweise, viele sprechen Reste von schwäbischen Dialekten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Ihre Ausbildung in Neudeutsch geht über 10 Monate und dauert sechs Stunden pro Tag. Die Kosten trägt das Arbeitsamt.
Die bisherige Ausschreibung, auf die die Sprachschulen sich bis Ende Juli bewerben müssen, bezog sich auf das Kontingent im Ganzen: Die Anbieter mußten bereit sein, alle 1.800 SchülerInnen zu nehmen oder blieben außen
vor.
Die drei kleineren Bremer Sprachschulen: Lopez Ebri, Inlingua und Dialog, die die SpätaussiedlerInnen bisher ausschließlich unterrichten, wären bei diesem Verfahren auf der Strecke geblieben. Favorit für den neuartigen Massen -Unterricht: Die Bremer Angestelltenkammer, die sich bisher um den wenig lukrativen Aussiedler-Unterricht nicht beworben hat. Sie bezieht Arbeitsamtsgelder auf einem Gebiet, das von finanziellen Engpässen bedroht ist: der beruflichen Fortbildung.
Nachdem die Ausschreibung in die Öffentlichkeit gekommen war, (taz vom 20.7.88), lud Arbeitsamtschef Domino zwei MitarbeiterInnen der Sprachschule „Dialog“ zu sich und ließ sich deren Sorgen erläutern. Die arbeitslosen LehrerInnen, die sich in dieser Sprachschule zusammengetan haben, wären wieder arbeitslos, wenn sie bei dem Spätausiedler-Unterricht außen vor bleiben würden. Nach dem Gespräch sah Domino die Aussichten für die kleinen Schulen „locker, offen und optimistisch“, wie er der
taz gestern erläuterte.
Noch in einem weiteren Punkt ist Domino mit der Ausschreibung seines Amtes nicht zufrieden: Von den Sprachschulen wird verlangt, daß sie sich festlegen, in den nächsten drei Jahren 1.800 SpätaussiedlerInnen zu unterrichten. Das Arbeitsamt hingegen
geht keine Verpflichtungen ein für den Fall, daß weniger als die veranschlagten 1.800 AussiedlerInnen in den nächsten drei Jahren kommen. Das Risiko tragen die Sprachschulen. In diesem Punkt wird die Ausschreibung aber nun nicht geändert. Domino: „Dabei bleibt es zunächst.“
mw
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