: Schlaflos unterm guten Stern
■ Wirtschaftssenator will das Nachtfahrverbot für Daimler-Laster im Senat zu Fall bringen / Anordnung der Innenbehörde bereits drei Monate alt / Hemelinger Ortsamtsleiter Hans-Dieter Rissland verärgert
„Das ist völlig unvorstellbar, daß man meint, mit Leuten, die da leben, so umgehen zu können.“ Was sich Hemelingens Ortsamtsleiter Hans-Dieter Rissland nicht vorstellen kann, ist für Bremens Wirtschaftspolitik, zumindest soweit sie im Hause des zuständigen Senators Uwe Beckmeyer gemacht wird, eine Selbstverständlichkeit. Wenn es um die Interessen von Daimler Benz geht, geht der Senator auch bei kleineren Konzern-Wehwehchen jeden Weg, um zu Diensten zu sein.
Jüngstes Beispiel: Am 28. April hat das Stadt- und Polizeiamt ein Nachtfahrverbot für Lastwagen über 7,5 Tonnen angeordnet. Von dem nächtlichen Lärm sollten die Anwohner des Brüggewegs, der Schlengstraße und der Christernstraße zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens verschont bleiben. Nach der behörd
lichen Anordnung wurden Hinweis-und LKW-Umleitungsschilder in Auftrag gegeben, ein einsames Schild wurde inzwischen auch aufgestellt.
Da erreichten Senator Beckmeyer Bedenken aus der Vorstands
etage von Daimler Benz. Dort sah man eine erhebliche Beschränkung der Aktivitäten des Werkes. Insbesondere für den LKW-Nahverkehr, der montage-abhängig bis 23.00 Uhr unterwegs ist, ergäben sich Nachteile. Da selbst Daimler noch nicht in der Lage ist, seine Bedenken direkt in den Bremer Senat zu bringen, sprang Uwe Beckmeyer hilfsweise ein und ließ eine Senatsvorlage schreiben, die heute von der Bremer Regierung zu bescheiden ist. Zwar war die Gegenposition Beckmeyers auch schon vor Wochenfrist fertig, der Wirtschaftssenator wollte die Entscheidung
aber gerne im Beisein von Regierungschef Wedemeier getroffen wissen, und der war bis gestern in Urlaub.
Der Beschlußvorschlag des Wirtschaftssenators sieht vor, daß das Nachtfahrverbot für den Schwerlastverkehr nicht um 20.00 Uhr, sondern erst zwei Stunden später in Kraft tritt. Dabei ist selbst der 20.00 Uhr-Termin schon ein Kompromiss zwischen Anwohnern und Innenbehörde. Die lärmgeplagten HemelingerInnen hatten ursprünglich verlangt, daß ihre Wohnstraßen bereits um 18.00 Uhr für LKWs gesperrt werden.
Bereits vor der Anordnung Ende April hatte der Wirtschaftssenator für erhebliche Verzögerung gesorgt. Erst als die mittlere Führungsebene von Daimler Benz ihre Bedenken gegen die zeitlich begrenzte Sperrung der
Straße zurückgenommen hatte, sah auch der Wirtschaftssenator keinen Grund mehr, das Vorhaben der Innenbehörde zu blockieren. Dann, der Vollzug nahte, schaltete sich die Chefetage von Daimler ein und brachte ihren Verdruß zur Kenntnis und Beckmeyer diesen in den Senat.
„Mein Gott, wenn zwei Ressorts unterschiedliche Vorstellungen haben, dann müssen wir das im Senat klären, da gibt es keine Grenze von Bedeutung,“ erläuterte gestern Senatssprecher Reinhold Ostendorf. Berichten wird Wedemeier heute über das Thema aber kaum: „Dann kriegt das eine Bedeutung, die es wirklich nicht hat.“
Bedeutung über das Nachtfahr
verbot hinaus sieht allerdings Ortsamtsleiter Rissland in dem Hick-Hack. Dieses sei nur ein kleiner Schritt nach vorne auf die Anwohner zu. Wenn es jetzt noch einen Rückzieher gebe, werde die Politik in Hemelingen vollends unglaubwürdig. Den Glauben der Bürger an die Politik sieht auch die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Irmgard Jahnke gefährdet, wenn sich „der Kniefall vor Daimler fortsetzt.“ Bislang gebe es keinerlei Beitrag von Daimler zur Entlastung der Bürger. Und auch einen Beitrag von Automobilbauern oder Wirtschaftssenator zur öffentlichen Diskussion gibt es nicht. Beide wollten gestern auf Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen