: UNO-Vermittler in Teheran eingetroffen
■ Die Außenminister der Kriegsgegner Iran und Irak sind inzwischen zu Gesprächen mit UN-Generalsekretär Perez nach New York gereist / USA wollen mit Iran über Freilassung von US-Geiseln verhandeln / Deutsche Firmen lauern auf lukrative Verträge beim Wiederaufbau
Manama/New York (dpa/wps/taz) - Als erster Schritt auf dem Weg zu einem Waffenstillstand zwischen Iran und Irak ist am Sonntag eine Gruppe von UNO-Experten unter der Führung des norwegischen Generalleutnants Martin Vadset in Teheran eingetroffen. Die Experten wollen einen Gefangenenaustausch zwischen den Kriegsgegnern erreichen.
Ebenfalls am Sonntag traf der iranische Außenminister Ali Akhbar Welajati am UNO-Sitz in New York ein. Sein irakischer Kollege Tariz Aziz wurde noch für Montag dort erwartet. UNO -General Javier Perez de Cuellar wird in dieser Woche erste Gespräche mit den beiden Außenministern über eine Beendigung des Golfkrieges aufgrund der Resolution 598 beginnen.
Indessen wurde aus Geschäftskreisen in London berichtet, daß zahlreiche europäische Firmen mit Spannung auf die Unterzeichnung eines Waffenstillstandes warten, um in das Milliardengeschäft zum Wiederaufbau zerstörter Einrichtungen und Städte in Iran und Irak einsteigen zu können. Offenbar haben bundesdeutsche Firmen besonders gute Ausgangsbedingungen.
In Washington wurde zudem bekannt, daß die USA auf diplomatischem Umweg über die Schweiz den Iran zu Verhandlungen über die Freilassung US-amerikanischer Geiseln im Libanon aufgefordert haben.
Die UNO-Experten im Iran werden Gefangenenlager besuchen und die genaue Zahl der gefangenen Iraker ermitteln. Nach Schätzungen am Golf hält Iran etwa 70.000 Iraker gefangen im Vergleich zu weniger als 30.000 iranischen Kriegsgefangenen im Irak.
Die große Zahl der irakischen Kriegsgefangenen ist Irans einzige Stärke bei den anstehenden Waffenstillstandsverhandlungen. Es wird außerdem erwartet, daß die Wasserstraße Shatt al Arab, Brennpunkt für den Ausbruch des Krieges zwischen Iran und Irak 1980, der Schlüssel zum Frieden werden wird. Der Shatt al Arab, der Zusammenfluß von Euphrat und Tigris, ist für den Irak der einzige Zugang zum Golf. Seine Wiedereröffnung ist bei dem vom Irak vorgeschlagenen Fünf-Punkte-Plan eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Annahme eines formellen Waffenstillstandsabkommens.
Auch die Frage der Kriegsschuld ist ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Iran besteht darauf, daß eine in der Resolution 598 vorgesehene unabhängige Kommission diese Frage klärt. Ein formeller Befund, daß der Irak den Krieg begonnen hat, würde dann Grundlage sein für iranische Reparationsforderungen, die sich auf mehr als 300 Mrd.Dollar belaufen.
Sollten die Friedensverhandlungen erfolgreich sein, könnten die beiden ölreichen Länder sich schnell von den Kriegsschäden erholen. „Sobald ein Waffenstillstand unterzeichnet ist, wird jedes Hotelzimmer in Bagdad und Teheran belegt sein“, sagte ein Wirtschaftsberater der Bonner Regierung voraus. Hunderte von Städten, Dörfern und wichtigen pertrochemischen Anlagen sind zerstört.
Iran beziffert seine Schäden auf 300 Mrd.Dollar, während Schäden im Irak auf 100 Mrd. Dollar geschätzt werden. Als einziges westliches Land, das während des gesamten Krieges sowohl mit Irak als auch mit Iran diplomatische Beziehungen aufrecht erhalten hat, hat die Bundesrepublik für ihre Konzerne besonders gute Voraussetzungen geschaffen, in das Gschäft im Golf einzusteigen.
hb
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