: Ausgerollt und aufgerollt
■ Wer klaut warum wieviele Räder?
Kriminaloberrat Winfried Roll (43) weiß alles über den Fahrraddiebstahl. 13.162 Fahrraddiebstähle gab es im letzten Jahr in der Stadt, bei einer Gesamtpopulation von über einer Million Drahteseln. Das ist deutlich weniger als die absolute Hochwassermarke von 20.106 Diebstählen im Jahre 1982, aber mehr als das 84er Tief mit 11.403 geklauten Rädern.
Über die Konjunkturkurven der Diebstahlszahlen hat der Leiter der kriminalpolizeilichen Beratungstelle verschiedene Vermutungen. Die Diebstahlszahlen gingen konform mit der Spitze des Freizeitsbooms Anfang der achtziger Jahre, als die Fahrradhersteller Rekordverkäufe meldeten. Zum Abwärtsknick habe auch die 1983 gebildete „Fahrradermittlungsgruppe“ beigetragen; meint jedenfalls Kriminalober Roll. Seitdem beschäftigen sich etwa 20 Menschen ausschließlich mit dem Zweirad-Klau. Daß die Diebstahlszahlen dennoch wieder anzogen, habe wohl mit den gestiegenen Fahrradpreisen zu tun und auch der Trend zum gestylten Luxus-Rad in der Scene mag zum Klau reizen.
Die Geschädigten könnten inzwischen in 44 Prozent der Fälle die Rahmennummer angeben, was die Arbeit der Polizei erheblich erleichtere. Die Nummern geklauter Räder werden zwei Jahre aufbewahrt. Dennoch liegt die Aufklärungsquote im Jahre '87 bei mageren 12,4 Prozent. Die für den Radbesitzer wichtigere Wiederbeschaffungsquote liegt sogar noch darunter. Die Täter gestehen nämlich manchmal bestimmte Diebstähle, haben die Räder allerdings längst an Unbekannt weiterverkauft.
Und wer klaut? Für die organisierte Form des Raddiebstahls; Dunkelmänner, die im großen Stil klauen und verschieben, habe die Kripo keine Hinweise. Frühere Vermutungen, die Räder würden über Flohmärkte oder Gebrauchtwarenläden umgesetzt, hätten sich ebenfalls nicht bewahrheitet. Gerüchte, geklaute Räder aus Berlin würden zwecks Weiterverkauf in die Niederlande gebracht, während auf dem Rückweg holländisches Diebsgut in Berlin an Frau und Mann gebracht werde, sind Herrn Roll gänzlich unbekannt. Aus seinem Urlaubswissen heraus bewertet er die Holland -Connection als „Eulen nach Athen tragen“.
Nach der „schmalen Basis der nicht überwältigenden Aufklärungsquote“ werden Räder von Einzeltätern geklemmt. Jugendliche klauten zum eigenen Gebrauch oder zum Ausschlachten der Teile für das eigene Rad. Bei den Erwachsenen stünde die „wirtschaftliche Verwendung“, die „schnelle Mark“ im Vordergrund. Täter sind nach Kripo -Beobachtung zumeist „Trinker und Stadtstreicher“, die das Rad sofort in der nächsten Kneipe zwecks Schluck weiterverscherbelten.
gn
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