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Mit revolutionärem Pathos die Nordsee retten

Kurdirektoren vom Bonner Umweltministerium abgebügelt / Hilfsprogramme bräuchten „Zeit, viel Zeit“ / Nordseebäderverband: Verseuchung nicht mehr zu verbergen / Weder Töpfer noch Kohl landeten im heißen Kohltopf  ■  Aus Bonn Susanne Brahms

Die 46 Kurdirektoren und Vertreter von Umweltverbänden, die Montag mit dem Sonderzug „Pidder Lyng“ direkt von den Protestaktionen an der Nordsee nach Bonn gekommen waren, hatten einen umfangreichen Forderungskatalog im Gepäck. Doch so revolutionär wie ihr Leitbild Pidder Lyng waren die Kurdirektoren nicht. Lyng hatte vor 500 Jahren einen dänischen Steuereintreiber in einen Topf mit heißem Kohl gesteckt, weil ihm die Steuerforderungen zu hoch waren.

Zur Sanierung der gebeutelten Nordsee fehlen ihre Meinung nach Millionen: Kläranlagen müssen mit Nitrat- und Phosphatfiltern umgerüstet werden, Landwirte brauchen für die Stillegung von Land in der Umgebung von Fließgewässern finanzielle Entschädigung. Zur Unterstützung dieser Forderungen brachten die Mitglieder des Nordseebäderverbandes 69.000 Unterschriften mit nach Bonn, wo sie abends gemeinsam mit Staatssekretär Stroetmann (CDU) eine Pressekonferenz abhielten.

Schlappe 500.000 Mark hatte Stroetmann für die verseuchte Nordsee angeboten - zu Forschungszwecken. Volker Hoppe (CDU), neuerdings in Umweltangelegenheiten engagierter Bürgermeister von Westerland (Sylt), war auch fast das Glas aus der Hand gefallen. Stroetmann wirkte genervt: Zur Umsetzung der geforderten umfangreichen Programme bräuchte man Zeit - viel Zeit.

Der ebenfalls angereiste Staatssekretär im schleswig -holsteinischen Umweltministeriums, Bodo Richter (CDU), konterte: Seine Regierung ziehe ein Sofortprogramm zur Rettung der Nordsee durch, das beispielsweise die Phosphateinleitung bis Ende '89 um 80 Prozent reduzieren werde. Auch Hoppe will beweisen, daß sofortiges Handeln möglich ist. Sylt plant ebenfalls die Umrüstung der Kläranlagen.

Der Bruch der Freunde von einst ist offensichtlich. Im November letzten Jahres saßen Vertreter des Nordseebäderverbandes und Umweltminister Töpfer noch in einem Boot: in der „Pidder Lyng“ nämlich, mit der sie damals noch einig zur Zweiten Internationalen Nordseeschutzkonferenz in London dümpelten. Volker Hoppe habe Töpfer damals ausdrücklich für sein Engagement gedankt, erinnerte Stroetmann erbost. Der Grund für diesen offensichtlichen Meinungsumschwung lieferte dann der Westerländer Bürgermeister: Die Verseuchung sei vor den Urlaubern nicht mehr zu verbergen, zumal diese besonders umweltbewußt seien.

Zufriedener als mit den Ergebnissen ihres Gesprächs mit Staatssekretär Stroetmann schienen die Kurdirektoren beim Austausch mit der Opposition. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Vogel habe ihr Anliegen „wohlwollend aufgenommen“. Mit den Grünen allerdings kam es erst nach den offiziellen Gesprächen zu einem informellen Kontakt. Fraktionsvorstandsmitglied Charlotte Garbe hatte danach den Eindruck, daß der Nordseebäderverband die Vorstellungen der Grünen grundsätzlich gut heißt.

Nach der Sommerpause sollen die Forderungen in den zuständigen Bundestagsausschüssen diskutiert werden. Hoppe will's dabei nicht bewenden lassen. Weitere Aktionen seien geplant: die Medien sollen gezwungen werden, über die Problematik weiter zu berichten, sagte der Westerländer Bürgermeister.

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