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Ungarns KP-Chef und der amerikanische Freund

■ Budapester Presse voll des Lobes für Amerika-Reise ihres Parteivorsitzenden Grosz / Gespräche mit Shultz, Bush und Reagan / Grosz bestreitet ungarische Wirtschaftskrise und wirbt um Kredite für Weltausstellung / Mehr Propaganda als Zukunftsperspektive

Berlin (taz) - Die Budapester Presse berichtet seit Tagen überschwenglich von den Reisestationen des ungarischen Parteichefs Karoly Grosz in den Vereinigten Staaten. Kein Wunder, zum ersten Mal seit dem Machtantritt der Kommunisten 1945 wird ein Ungar von den Führern der westlichen Weltmacht hofiert. Am Dienstag traf Grosz mit Shultz zusammen, Mittwoch abend sind Gespräche mit Bush und Reagan vorgesehen.

Wie ironisch es auch klingen mag, doch noch vor Jahren fiel die Rolle der Ost-West-Vermittlung Nicolae Ceausescu zu, falls die Politgrößen des Kreml und des Weißen Hauses sich nicht direkt treffen wollten. Doch inzwischen hat sich das Image des Conducatores (Führers) vom unabhängigsten Staatsmann Osteuropas zum dogmatischen Stalinisten gewandelt. Grosz, frisch aus Moskau nach Washington geflogen, erklärte Shultz gegenüber, er habe mit Genosse Gorbatschow über die Präsenz der 65.000 sowjetischen Soldaten in seinem Lande gesprochen. Entgegen westlichen Presseberichten könne von einem teilweisen Truppenabzug nur dann die Rede sein, wenn auch der Westen konventionelle Truppen aus Mitteleuropa abziehe. Ein einseitiger Truppenabbau könne zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht eingeleitet werden, wobei sich Ungarn aber bemühe, auch „in Fragen der Abrüstung ein Experimentierfeld“ zu werden.

Glaubt man der Budapester Presse, gab es für die „Gulaschexperimente“ bisher nur Lorbeeren von den amerikanischen Gesprächspartnern. Wohlwollend habe man in den USA zur Kenntnis genommen, daß ab nächstem Jahr die erste Börse Osteuropas in Budapest eröffnet werde und Staatsbetriebe, halbstaatliche Genossenschaften und Privatfirmen nach freien Marktgesetzen miteinander in Konkurrenz treten werden. Auf einer Pressekonferenz vor amerikanischen Journalisten bestritt der Parteichef am Dienstag Krisenerscheinungen der ungarischen Wirtschaft. Zwar rechne man aufgrund der Wirtschaftsumstrukturierung mit etwa 100.000 Arbeitslosen bis Jahresende, doch dafür sei man dann auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wie ein westliches Land.

Die Bürger in Ungarn verfolgen die Reise durch die USA aufmerksam, aber angesichts von soviel Selbstlob, skeptisch. Denn der einfache Mann spürt, daß seine Lohntüte täglich kleiner wird, daß die Preise in den letzten Wochen um 23 Prozent gestiegen sind, während der Forint gleichzeitig um 6 Prozent abgewertet wurde. Besorgt fragt denn auch die kritische Zeitschrift 'HGV‘: Wer wird das große Projekt der gemeinsamen Weltausstellung zwichen den Donaumetropolen Wien und Budapest bezahlen, für die Grosz gerade um Kredite wirbt? Bezahlt werden soll die für 1990 geplante Schau wohl vom kleinen Mann, antwortet die Wochenschrift. So wird in Grosz‘ Heimat dessen überschwengliche Aussage, ein Mehrparteiensystem könne das Monopol der Kommunistischen Partei ablösen, mehr als Propagandatrick gewertet, denn als eine reale Zukunftsperspektive. Dazu 'HGV‘: „Wir brauchen dringend Devisen, um unsere 17 Milliarden Auslandsschulden abzubauen - dafür ist uns jede Imageaufbesserung willkommen.“

Roland Hofwiler

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