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Bayerns Zwei-Wochen-Knast umstritten

Zweiwöchige Vorbeugehaft nach Ansicht von JuristInnen verfassungswidrig / FDP-Politiker will notfalls vor das Bundesverfassungsgericht / Bestimmungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Die Absicht der Bayerischen Staatsregierung, die Zeitdauer einer vorbeugenden Festnahme, in der Amtssprache „Unterbindungsgewahrsam“, von bisher maximal zwei Tagen auf zwei Wochen auszuweiten, hat nicht nur bei Bürgerinitiativen und PolitikerInnen heftigen Protest ausgelöst. Mehrere Juristen erklärten, die geplante Regelung verstoße gegen das Grundgesetz. Der Bayerische Ministerrat hat am Dienstag einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem zukünftig Personen bis zu zwei Wochen festgesetzt werden können, „um unmittelbar bevorstehende Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern“ (die taz berichtete).

Bestimmungen zum „Unterbindungsgewahrsam“ finden sich auch in den Polizeigesetzen anderer Bundesländer. So wurden 1982 in Berlin anläßlich des Reagan-Besuches 86 Personen vorbeugend mit der Begründung festgenommen, sie seien auf dem Weg zu einer verbotenen Demonstration. Über eine Dauer der Gewahrsamnahme finden sich in den Polizeigesetzen der Länder verschiedene Bestimmungen. Während Hamburg und Bremen keine Befristung kennen, ist im Polizeiaufgabengesetz von Baden-Württemberg eine Zweiwochenfrist schon 1955 eingeführt worden. Allerdings wurde diese Bestimmung bisher noch nie bei einem Verwaltungsgericht beanstandet. Der bayerische Gesetzentwurf kollidiert nach Meinung mehrerer RechtsanwältInnen mit dem Artikel 104 des Grundgesetzes. In Absatz drei des Artikels ist geregelt, daß eine Freiheitsentziehung länger als 48 Stunden nur dann zulässig ist, wenn ein Richter einen mit Gründen versehenen Haftbefehl erläßt.

Ein Haftbefehl ist wiederum durch andere Gesetze geregelt. Und hier, so der Berliner Anwalt Eisenberg, ist der Entwurf zumindest fragwürdig, weil es sich bei dem Bayerischen Polizeigesetz lediglich um ein „Verfahrensgesetz“ handelt. Anders als in den Bestimmungen zur Untersuchungshaft, werde hier „generalklauselartig formuliert, daß eine Gefahr ausreicht“. Die Angaben seien „viel zu unkonkret“, den Richtern würde zugemutet, „Prognoseentscheidungen“ zu treffen. Der Anwalt verweist auf den ehemaligen bayerischen Oberstaatsanwalt Samper und den früheren Ministerialrat Honnacker im Münchner Staatsministerium. Beide haben 1987 in einem Kommentar zum Polizeigesetz die Auffassung vertreten, daß das bayerische Polizeiaufgabengesetz den Ansprüchen des Artikel 104 nicht Rechnung trage.

Mittlerweile hat auch Manfred Brunner, Mitglied im FDP -Präsidium den Entwurf als „verfassungsmäßig problematisch und rechtspolitisch unerträglich“ bezeichnet. Die FDP werde notfalls vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Für die Bayerischen Grünen erklärte deren Vorstandssprecherin Meinzoldt-Depner, der Verdacht dränge sich auf, in Bayern sollten polizeiliche Maßnahmen eingeführt werden, wie sie bisher nur aus Chile oder Südafrika bekannt sind.

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