Wenig Hoffnung auf den Frieden in Kolumbien

Ohne Vertreter der Regierung beginnen heute in Bogota Friedensverhandlungen zwischen Teilen der Guerilla und Repräsentanten von Parteien, Gewerkschaften, Wirtschaft und Bürgerbewegung / Optimismus bei den Konservativen: „Es gibt keine Alternative zum Dialog“  ■  Aus Bogota Ciro Krauthausen

„Du hast keine Chance, aber nutze sie“, scheint das Motto der für heute, Freitag, angesetzten Friedensverhandlungen zwischen Vertretern der kolumbianischen Guerilla und Repräsentanten der politischen Parteien, der Wirtschaftsgremien, der Gewerkschaften und der Bürgerbewegungen zu sein. Die Regierung wird nicht an den Verhandlungen teilnehmen, da sie - wie Innenminister Cesar Gaviria Trujillo Mittwoch nachmittag erneut erklärte - nicht „unter Druck verhandelt“. Das Gipfeltreffen ist das Ergebnis der am 29.Mai erfolgten Entführung des konservativen Spitzenpolitikers und zweimaligen Präsidentschaftskandidaten Alvaro Gomez Hurtado. In den fast zweimonatigen Verhandlungen - Gomez wurde am 20.Juli freigelassen forderten die Entführer, die Guerillabewegung M-19, einen „nationalen Dialog“.

Schwierigkeiten für das Gipfeltreffen ergaben sich auch aus der Ankündigung der Militärs, jedes Guerillamitglied, über dem ein Haftbefehl schwebe, werde gegebenenfalls festgenommen. Wie unter diesen Umständen die Sicherheit der Delegierten der Guerillabewegung gewährleistet werden soll, blieb bislang unklar.

Daß das Gipfeltreffen überhaupt zustandekam, zeigt dem linksliberalen Parlamentarier Emilio Urrea, daß die Menschenrechte in Kolumbien „heute Vor- und Nachnamen haben“, eben die von Alvaro Gomez Hurtado. Bei früheren Gelegenheiten jedenfalls war das Establishment nicht zu Verhandlungen über Menschenrechte, die Beendigung des schmutzigen Kriegs oder die Agrarreform bereit.

Führende Politiker der konservativen Partei geben sich anläßlich des Gipfels optimistisch: „Auf den Dialog muß gepocht werden, es gibt nicht mehr viele andere Alternativen“, erklärte der ehemalige Staatspräsident und noch heute einflußreiche Politiker Misael Pastrana Borrero. Auch Alvaro Gomez Hurtado, der langjährige rechtsradikale Law-and-order-Politiker, zeigte sich nach seiner Freilassung ungewöhnlich kompromißbereit: „Gerade da es ein Kriegsklima ist, gibt es auch ein Klima für Verhandlungen, für Verständigung.“ Politische Beobachter sind sich darin einig, daß die Rolle von Alvaro Gomez Hurtado bei den Verhandlungen entscheidend sein wird.

Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat das Blutvergießen deutlich zugenommen. Das Sozialforschungsinstitut errechnete 428 Tote bei Gefechten. Dies mag dazu beigetragen haben, daß die Militärs ihre Ablehnung der Friedensverhandlungen noch verschärften. Die Entscheidung der Regierung, nicht an den Verhandlungen teilzunehmen, bezeichnete Jorge Carrillo, der Präsident der größten Gewerkschaft CUT als „höchst negativ“. Dem widerspricht auch nicht, daß die Regierung gleichzeitig die Begnadigung derjenigen Guerilleros vorschlug, die ihre Waffen niederlegen wollen. Ohne die Beteiligung der Regierung könnten die Verhandlungsergebnisse kaum in die Praxis umgesetzt werden, meint ein linker Chefredakteur, der am „politischen Willen der Oberschicht“ zweifelt, die von den Aufständischen geforderten Reformen durchzuführen.

Gleichzeitig fehlt aber auch Teilen der Linken der Wille zu einem Dialog. So weigerte sich die radikale Guerillabewegung ELN, an einem derartigen Treffen teilzunehmen. Diese Absage der in den letzten Monaten beträchlich erstarkten „Elenos“ läßt ebenfalls wenig Hoffnung auf eine effektive Befriedung des Landes. Andere Linke sind da optimistischer. So auch Julio Canon, ein linker Bürgermeister aus dem Osten des Landes, dem schon zwei Söhne von Todesschwadronen ermordet wurden und der selbst letzte Woche nur haarscharf zwei Attentaten entging: „Ich denke, der Dialog ist wichtig, weil er eine Grundlage für künftige repräsentativere Verhandlungen bilden kann.“