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„Freiheit ohne Vorleistungen“

Altbischof Kurt Scharf zur Amnestie-Debatte  ■ D O K U M E NT A T I O N

Kurt Scharfs (76) Engagement für die politischen Gefangenen und den „inneren Frieden der Gesellschaft“ ist von bemerkenswerter Kontinuität. Besonders bekannt war sein Gespräch mit Ulrike Meinhof 1974, kurz vor der Ermordung des Richters von Drenkmann, vor allem wegen der nachfolgenden Pressehetze. Weniger bekannt ist sein seelsorgerischer Einsatz gegen die Bedingungen der Isolationshaft. Im 'Berliner Sonntagsblatt‘ äußert er sich jetzt zur Amnestie.

Es sollte zu einem Dialog kommen zwischen den Regierenden in unserer Stadt, in unserem Land, und den inhaftierten politischen Gefangenen. Daneben halte ich den Dialog mit freiwilligen Helfern für wichtig, mit Gemeindegruppen, die sich um die Häftlinge ganz allgemein und um politische Gefangene kümmern. Ich rufe immer wieder in Gemeinden dazu auf, neben dem Engagement für Frieden und Ökologie nicht zu vergessen, daß wir Gruppen von Seelsorgehelfern in den Gefängnissen brauchen. Gefängnisse dürfen uns nicht trennen. (...)

Es wäre natürlich nötig, Gespräche mit der RAF aufzunehmen, weil ich persönlich gerade die RAF unter den terroristischen Gruppen für die seriöseste halte. Ich glaube, daß die RAF nicht den entscheidenden Einfluß auf sämtliche Terrorgruppen hat, sondern eine Minderheit ist, aber eine Gruppe, mit der das Gespräch lohnt und erfolgreich und beispielhaft wirken könnte in die gesamte Terror-Szene hinein.(...)

Ich bin schon der Meinung, daß man in Vorbereitung auf eine Amnestie zu Gesprächen mit den Inhaftierten kommen muß - in ähnlicher Form, wie die Familie von Braunmühl das vorschlägt, um diejenigen, die glauben, in ihrem politischen Kampf auch vernichtende, mordende Gewalt einsetzen zu dürfen, von der Unrichtigkeit ihrer Methode zu überzeugen: Gespräche, die das Ziel haben, die Gefangenen vom Unrecht ihrer damaligen Methoden zu überzeugen. Ob man eine Amnestie davon abhängig machen soll, daß der Betreffende einen Gesinnungswandel zugibt, ist mir zweifelhaft. Denn ich kann mir denken, daß gerade charaktervolle, ehrliche Menschen den Eindruck vermeiden wollen, als ob sie sich durch das Bekenntnis eines Gesinnungswandels nun die Freiheit erkaufen könnten oder sollten. Man sollte das Wagnis eingehen, nach längerer Zeit des humanen Strafvollzugs auch eine Amnestie auszusprechen. Freilassung ohne Vorleistungen in der Hoffnung und Erwartung, daß dieser Akt der Gnade seine Wirkung hat im Blick auf die Änderung der Gesinnung.

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