: Sonntagsarbeit auch bei SEL
Stuttgarter Regierungspräsidium duldet Sonn- und Feiertagsarbeit bei Standard Elektrik Lorenz / Angeblich soll „Schrottproduktion“ verhindert werden / Betriebsrat wurde nicht gefragt ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier
Auch bei der Stuttgarter Standard Elektrik Lorenz (SEL) wird in Zukunft Pappi am Sonntag nur noch bedingt seiner Familie gehören. Nach sechsmonatiger Prüfung hat das Stuttgarter Regierungspräsidium jetzt beschlossen, Sonntagsarbeit bei der Stuttgarter SEL im Bereich der Glasfaserproduktion vorläufig zu dulden.
Bis zum März kommenden Jahres muß SEL in zwei Vergleichsphasen nachweisen, daß die durch Arbeitsunterbrechung an Sonn- und Feiertagen entstehende „Schrottproduktion“ durch Einführung der Sonntagsarbeit um mindestens 10 Prozent gemindert wird. Nach einer vorläufigen Duldung der Sonntagsarbeit bei der Sindelfinger Niederlassung der IBM zur Herstellung von Mikrochips ist dies die zweite positive Entscheidung des Stuttgarter Regierungspräsidiums.
Nach einem Paragraphen der über 100 Jahre alten baden -württembergischen Gewerbeordnung, so das Regierungspräsidium, könne das grundgesetzlich geschützte Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit dann durchbrochen werden, wenn damit ein Mißlingen von Arbeitsergebnissen verhindert werden kann.
SEL hatte bei seinem Antrag auf Sonntagsarbeit geltend gemacht, daß bei Produktionsunterbrechungen Wasserstoffmoleküle in die Wände von Zuleitungsrohren eindringen würde, die anschließend in die Glasfasern eingebaut würden und diese unbrauchbar machten. Bei seiner Antragsprüfung hatte das Stuttgarter Regierungspräsidium festgestellt, daß international bei allen Glasfaserherstellern, die das gleiche Verfahren wie SEL anwendeten, sonntags gearbeitet würde. Von den sogenannten Conti- oder Sonntagsschichten sind bei Standard Elektrik Lorenz 75 Mitarbeiter betroffen.
Ein Gutachten im Auftrag des SEL-Betriebsrats hatte den Ausschuß bei der Glasfaserproduktion bei SEL auf wartungsbedingte Einflüsse zurückgeführt und zusätzliche Sonntagsschichten abgelehnt. Der Frankfurter IG-Metall -Vorstand will die Entscheidung des Stuttgarter Regierungspräsidiums und die damit verbundene Verletzung der Landesgewerbeordnung nicht widerstandslos hinnehmen. Außerdem, so die IG Metall, seien die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt worden. Eine Zustimmung zur Einführung der Conti-Schicht liege bei SEL im Unterschied zur IBM nicht vor. Konkrete Maßnahmen gegen die Einführung der Sonntagsschicht haben aber bisher weder der SEL -Betriebsrat noch die Industriegewerkschaft Metall angekündigt.
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