: Kampf gegen die Schwerkraft
■ Skateboarding - Freiheit und Abenteuer? / „Undergrounds“ von Skate-Virus infiziert / Seit elf Jahren gibt es den Ersten Berliner Skateboard-Verein / Skater sind ein besonderer Menschenschlag / Deutsche Meisterschaft im September
Skateboardfahrer kämpfen. Kämpfen gegen die Schwerkraft im Asphaltdschungel. Daß sie gegen die Naturgesetze nicht gewinnen können, wissen die Skater, aber oft wirkt es, als würden sie die Gravitation überlisten. Die ganze Stadt ist ihr Übungsgelände: Rinnsteine, Blumenkübel und trockene Brunnenbecken.
Skater mögen Musik. Schnelle, laute, trashige Musik. Der Sound muß Spaß bringen, weil Skateboardfahren Fun ist. Skaters Outfit ist angeranzt, zerrissen, abgeschabt und verwaschen. Bunt ist grell, aber auf keinen Fall durchgestylt. Schickimicki sind Skater nicht, denn Skateboardfahren ist das Gegenteil von langweilig. Skater sind ein anderer Menschenschlag. Halten nix von Smalltalk und Olive im Martini. Kurz: Skaten ist die Philosophie der Straße, zu der sich immer mehr Kids bekennen. Vor kurzer Zeit stellte sich die Situation noch ganz anders dar, und die Szene war fast ausgeblutet. Nach dem ersten Skateboardboom Ende der siebziger Jahre verabschiedete sich ein Großteil der Modeskater und sattelte auf BMX-Räder um.
Doch da war es bereits zu spät, denn einige Kids waren schwerstens mit dem Skatevirus infiziert. Um zu überleben, mußten sich die „Undergrounds“ zusammenschließen. Ein Teil dieser Streetskater hat dann 1977 den Ersten Berliner Skateboard-Verein e.V. gegründet. Streetstyle und Fun im Verein, auf den ersten Blick eine seltsame Kombination. Doch als eingetragener Sportverein hat man die Möglichkeit, an Trainingsstätten zu kommen, um auch im Winter zu trainieren, dachten die Skater. In den vom Sportamt zugewiesenen Hallen war Skateboardfahren allerdings verboten. Der Verein reduzierte sich in den folgenden Jahren auf einen harten Kern von ca. 20 Skatern. Werner, der von Anfang an dabei ist, erzählt, daß der Verein in letzer Zeit starken Zulauf hatte und schon wieder 70 Mitglieder zählt.
Ein Grund für diese Entwicklung ist das Trainingsgelände im Eisstadion Wilmersdorf und vor allem die neue „Halfpipe“ , die dort seit Dienstag letzter Woche steht (siehe taz vom Mittwoch). (Für alle, die wie ich den Artikel nicht gelesen haben und somit nicht wissen, was das ist, hier die Erklärung: „Das ist das runde Ding, in dem die fahren, also wie so'n oben offener Tunnel oder so...“ d. k.in) Für den Winter wird noch eine geeignete Halle, in der geskatet und die Halfpipe aufgebaut werden kann, gesucht. Im Rahmen von E88 finanzierte der Senat die Hälfte der 30.000 Mark teuren Halfpipe. Mit dem Aufstellen der Halfpipe haben die Berliner Kids die Möglichkeit erhalten, die Deutschen Skateboardmeisterschaften vom 16. bis 18. September auszurichten. Aber halt. Skateboardmeisterschaften haben nicht viel mit anderen „Titelkämpfen“ gemein. Verkalkte Kampfrichter, festgelegte Regeln und Vereinsmeier wird man hier nicht finden. Vielmehr geht es darum, Spaß zu haben. Hier trifft sich die Skaterszene. Die neuesten Tricks werden vorgeführt. Sticker getauscht und alte Bekannte begrüßt. Die Kids werden die Meisterschaft zur Riesenfete machen.
Ralf Pollack
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