: Roulettegelder für notleidende Parteien?
Dem Untersuchungsausschuß stellen müssen sich am Dienstag und Mittwoch auch zwei prominente Politiker aus dem Regierungslager, die noch heute Spielbankanteile besitzen: der Ehrenvorsitzende der niedersächsischen CDU und ehemalige Kultusminister Richard Langeheine sowie der FDP -Bundestagsabgeordnete und Landesschatzmeister seiner Partei, Detlef Kleinert.
Der Verdacht, daß die Konzessionen für die ursprünglich drei niedersächsischen Spielbankgesellschaften mit dem richtigen Parteibuch und gegen Bares für die Parteikasse zu erlangen waren, ist so alt wie das niedersächsische Spielbankgesetz. Es war der Landtagsabgeordnete Ernst Albrecht, damals noch Parlamentsneuling, aber schon im Vorstand seiner Fraktion, der bereits bei der Verabschiedung des Gesetzes im Juli 1973 vor einem Skandal warnte. Mit dem Gesetz würde für die Konzessionäre „eine Monopolrente kreiert“, die 100 oder 130 Prozent im Jahr betragen könne, sagte Ernst Albrecht damals. „Kraft Entscheidung des Innenministers“ würden „über Nacht drei Privatleute in Niedersachsen zu Multimillionären werden“. „Wenn das Gesetz so verabschiedet wird“, so kündigte Albrecht damals dem SPD -Innenminister Richard Lehners an, „werde ich nach geraumer Zeit fragen, welche Leute die Spielbankkonzession bekommen haben, ob sie verwandt oder verschwägert sind, ob sie ein bestimmtes Parteibuch haben, ob sie Spenden leisten an die Kasse dieser oder jener Partei.“ Bei Verabschiedung des Spielbankgesetzes, so drohte Albrecht damals, „steht der nächste Untersuchungsauschuß vor der Tür“.
Glaubt man dem damaligen CDU-Wahlkampfmanager Laszlo Maria von Rath, so hat der Abgeordnete Albrecht 1973 nur mit Bauchschmerzen die Entscheidung seines Landesvorsitzenden Wilfried Hasselmann und seines Generalsekretärs Dieter Haaßengier aktzeptiert, daß sich die CDU (mit von Rath als Strohmann) an der von Innenminister Lehners favorisierten Berwerbergruppe um seinen Freund Fritz Harenberg und den Gastronomen Rudolf Kalweit beteiligt. Im Landtag selbst muß Albrechts Anti-Spielbank-Rede erstaunliche Wirkung hervorgerufen haben. Noch während der Rede, so wird überliefert, gingen die Initatoren des Spielbankgesetzes, Egon Hüper (SPD) und Hans Puvogel (CDU), durch die Reihen ihrer jeweiligen Fraktion und führten Einzelgespräche, um die Mehrheit für das Gesetz zusammenzuhalten.
Auch wenn die SPD/CDU-Bewerbergruppe um Harenberg, Kalweit und von Rath am Ende nicht zum Zuge kam - mit den Fragen, die Ernst Albrecht damals in der Debatte formulierte, wird der Untersuchungsauschuß nun die Politiker unter den Spielbankkonzessionären löchern. 1975, es regierte in Hannover noch die sozialliberale Koalition, vergab der damalige FDP-Innenminister Rötger Groß die Konzession für die Spielbank Bad Bentheim/Bad Zwischenahn, die sich seitdem zum lukrativsten Casinobetrieb der Bundesrepublik entwickelt hat. Einen Anteil von 20 Prozent an dieser Spielbank hielt von Beginn an der FDP-Mann Kurt Jodexnis, seit Jahrzehnten ein enger Geschäftsfreund des FDP-Landesschatzmeisters Detlef Kleinert. Mit weiteren 10 Prozent ist seit 1975 der Osnabrücker Bauunternehmer Hans Sievert, ebenfalls FDP, beteiligt. Sievert ist für kommenden Donnerstag, Kleinert und Jodexnis sind für Mittwoch vor den Ausschuß geladen. Die beiden letzgenannten werden vor allem erklären müssen, warum Jodexnis 1982 die Hälfte seiner goldwerten Spielbankanteile auf Kleinert überschrieb. Als Parallele drängt sich jedenfalls der Beteiligungsvertrag auf, den Laszlo Maria von Rath für die CDU mit der Spielbankgruppe Kalweit 1971 abschloß. Dort war vorgesehen, daß die Rathschen Anteile zunächst treuhänderisch von einem anderen Mitglied der Spielbankgruppe (Otto Welsch) verwaltet werden sollten. Rath wurde aber das Recht zugestanden, jederzeit selbst und nach außen sichtbar in die Gruppe einzutreten.
Soviel steht fest: Detlef Kleinert hat seit 1971 in seiner Zeit als FDP-Schatzmeister die desolaten Finanzen seiner Partei gründlich sanieren können. Er bestreitet zwar immer noch entschieden, daß Spielbankgewinne in die Kassen seiner Partei geflossen sind. Daß einzelne Spielbankbeteiligte seiner Partei gespendet haben könnten, schloß er allerdings vorletzte Woche in einem Interview schon nicht mehr aus.
Der CDU-Politiker Richard Langeheine, ehemaliger Kultusminister und auch einmal Spitzenkandidat seiner Partei, der für Dienstag vor den Ausschuß geladen ist, hält einen auf den ersten Blick geringen Anteil an der Spielbankgesellschaft Bad Harzburg/Hittfeld. Gerade zwei Prozent im Nennwert von 81.000 Mark nennt der heute 88jährige Ehrenvorsitzende der Christdemokraten sein eigen. Doch allein dieser Anteil dürfte schon ein nettes Zubrot zu seiner Pension abwerfen. Außerdem war Langeheine von 1976 bis 1980 Alleinvorstand des Spielbankbetreibers „Harzburger AG“ und danach auch deren stellvertretender Aufsichstratsvorsitzender. Seinen zwei Prozent-Anteil erhielt Langeheine 1984 von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der hannoverschen Gilde-Brauerei, August Appenrodt. Nach dem Tode des Brauerei-Chefs erhielt der CDU-Politiker dann für eine Zeitlang „uneingeschränkte Vollmacht“ über die gesamten Appenrodtschen Spielbank-Anteile an den Spielbanken Bad Harzburg/Hittfeld (30 Prozent). Nach Meinung des Grünen Bad Harzburger Ratsherren Charly Abrahams, der seit Monaten fleißig in Sachen Spielbank Handelregisterauszüge und alles andere Greifbare studiert, dürfte Brauerei-Chef Appenrodt den Spielbank-Anteil von 30 Prozent gar nicht selbst besessen, sondern als Treuhänder verwaltet haben. Jedenfalls, so der Grünen-Ratsherr, wenn Appenrodts eigene Angaben über sein Vermögen stimmen, die er noch kurz vor seinem Tode machte. Dieses sei für einen Spielbankbesitzer jedenfalls bei weitem zu niedrig gewesen.
Nicht nur bei der Aufklärung dieses Verdachtes wird der Spieluntersuchungsausschuß allerdings seine Mühe haben. Schwierig wird es auch bei den Bestechungs-Vorwürfen in Zusammenhang mit der Konzessionsvergabe. Am Donnerstag soll vor dem Ausschuß der Bild-Hamburg-Redakteur Leichsenring auftreten, der angeblich von Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe der Konzession für Bad Bentheim/Zwischenahn weiß, seinem Informanten aber absolute Vertraulichkeit zugesichert haben soll. Schon am heutigen Montag werden die Freundin des ehemaligen Innenministers Richard Lehners und der ehemalige SPD-Fraktionsvorsitzende der Gemeinde Seevetal, Dieter Menck, gehört. Der SPD-Kommunalpolitiker hat den in der ganzen Affäre strafrechtlich schwerwiegendsten Vorwurf erhoben und seinen Parteigenossen Lehners der versuchten Erpressung beschuldigt. Lehners, so gab Menck eine Reihe von Gesprächen mit Mitgliedern der Gruppe Kalweit wieder, habe dieser Gruppe nur deshalb die Konzession nicht gegeben, weil diese seiner Freundin keine Eigentumswohnung im Werte von 100.000 Mark schenken wollte.
Rein rechtlich sieht Hasselmanns Versuch, mit Hilfe von Laszlo Maria von Rath die CDU an Spielbankgewinnen zu beteiligen, gegenüber diesem Erpressungsvorwurf eher wie ein bescheidenes Vergehen aus. Doch SPD-Landesvorsitzender Schröder kann es sich leisten, seinem Ex-Innenminister für den Fall, daß sich die Vorwürfe bewahrheiten, mit dem Parteiauschluß drohen. Die CDU dagegen hat das Pech, daß immer noch der gleiche Politiker wie vor 20 Jahren die Landespartei anführt.
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