: NDR-Reform: Mehr Sub-Regionales
■ Am Samstag lief die letzte NDR-„Umschau“ mit dem todesmutigen Zwischenahner Bürgermeister / Seit gestern „Vor Ort“ aus den vier „Subregionen“ Niedersachsens / Programmreform für Mitarbeiter glimpflich / Vorerst keine Angst um Jobs
Johnny Hinrichs, Bürgermeister von Bad Zwischenahn, ist ein todesmutiger Mann. Wer das bisher nicht wußte, konnte es am vergangenen Samstag im Radio hören: Einen Augenblick war es ganz still im Äther, denn der Herr Bürgermeister stürzte ein Glas Wasser hinunter, das aus dem Zwischenahner Meer stammte. Das glaubte der Bürgermeister zumindest. Dieser See ist so stark mit Salmonellen verseucht, daß das Baden dort seit wenigen Tagen verboten ist. Doch der eiserne Hinrichs spielte im Interesse seines Kurorts nur vermeintlich mit
seinem Leben. Denn das Team der Regionalsendung „Umschau“, das ihm den Trunk vorgesetzt hatte, war um des Bürgermeisters Gesundheit mehr besorgt als dieser selbst: Das angebliche Seewasser war ein Gemisch aus Selters, Tee und Milch, verziert mit einigen Brotkrumen.
Was sich da mit Biß präsentierte, war die letzte Ausgabe der „Umschau“ aus dem Studio Oldenburg des NDR. Die Premiere datiert vom ersten April 1956. Täglich in der besten Radio -Einschaltzeit wurde sie gesendet: von 17.05 bis 18.00 Uhr. Am vergan
genen Samstag ging sie live über den Sender. Vor der Bad Zwischenahner Wandelhalle war ein Zeltdach aufgebaut, unter dem die „Wiefelsteder Dörpskapelle“ volkstümliche Weisen blies und zwischendurch über dies und das aus dem Kurort geplaudert wurde. Auf Gartenstühlen umzu ein Publikum, das für den „NDR, Radio Niedersachsen“ typisch ist: Omas unter fein gedrehten silbrigen Löckchen, Opas in hellen Sommeranzügen. Sie alle wollte Studio-Leiter Henry Prätsch zum Schluß der allerlezten „Umschau“ für die Nachfolgesendung
„Vor Ort“ gewinnen. Mit wenig Erfolg: „Ich höre immer den Bremer Sender“, sagte ein alter Herr wenig taktvoll.
Seit gestern läuft statt der „Umschau“ die neue Regionalsendung „Vor Ort“. Statt zur gewohnten Vorabend-Zeit von 14.30 Uhr bis 15.00 Uhr. „Vor Ort“ ist so regional, daß die NDR-Programmgestalter sich dafür ein neues Wort einfallen lassen mußten: „subregional“. Das Land wird nämlich gevierteilt in die „Subregionen“: Ostniedersachsen, Hannover mit Umland, Osnabrück und Emsland, und das
größte Teilgebiet: Oldenburg, Bremen, Ostfriesland, Cuxhaven. Letzteres und Osnabrück werden aus dem Studio Oldenburg mit Lokalfunk versorgt. Jede „Subregion“ bekommt nun ihr eigenes „Vor Ort„-Programm: Außer der halben Stunde Regionalmagazin wird es fünf mal am Tage „subregionale“ Nachrichten geben sowie Einzelbeiträge, die ebenfalls nur in der „Subregion“ ausgestrahlt werden. Sorgen um ihre Arbeitsplätze brauchen sich die NDR-MitarbeiterInnen in Oldenburg also vorerst wenig zu machen.
Für sie ist die NDR-Reform glimpflich ausgegangen. Von den Plänen des Hörfunkdirektors Jürgen Köster, der von der Kommerzwelle „Radio Schleswig Holstein“ zum NDR gekommen war, ist nicht viel übrig geblieben. Seine ursprüngliche Absicht: Alle festen Sendeplätze sollten aufgelöst, Wortbeiträge nur als kleine Bröckchen in den Musikstrom eingestreut werden. Proteste der MitarbeiterInnen, aber auch von der SPD in Oldenburg und dem westlichen Niedersachsen haben zu dem jetzigen Kompromiß geführt.
mw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen