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Leichen pflastern Fahrradwege

■ Nach tödlichem Radlerunfall an einer Charlottenburger Kreuzung fordert ADFC Änderung der Radwegepolitik des Senats / Verkehrsverwaltung weist Vorwürfe zurück

„Es ist ganz falsch, die Radfahrer hinter parkenden Autos zu verstecken“, flucht Hajo Z. (29). Eigentlich wollte der Berufskraftfahrer nach dem Umspringen der Ampel auf Grün seinen Zwölf-Tonnen-Lastzug wegen der vermeintlich freien Fahrbahn mit Schwung vom Spandauer Damm rechtsherum in den Fürstenbrunner Weg lenken, doch nun muß er hart in die Bremse steigen. Eine zuvor an der Ampel noch von abgestellten PKWs verdeckte Radfahrerin, die geradeaus weiter wollte, wäre fast unter die Räder des Brummis geraten. Die Szene wurde gestern auf Initiative des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) aus gegebenem Anlaß nachgestellt. Am Freitag vor einer Woche war an der Hauptverkehrsstraßenkreuzung bei einer ganz ähnlichen Situation eine 33jährige Radfahrerin getötet worden. Eine Folge der mangelhaften Radverkehrspolitik des Senats, so die Kritik des ADFC. Die Clubvorsitzende Uta Wobit: „Der Radweg am Spandauer Damm nähert sich dem übrigen Fahrzeugverkehr wie woanders viel zu spät, das heißt, es gibt erst sehr kurz vor der Unfallkreuzung eine Sichtbeziehung zu den Autofahrern.“ Anlaß für den Radler-Verband, seine alte Forderung nach Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht und Stopp des herkömmlichen Radwegebaus zu erneuern.

Aber auch die Laster müßten im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten sicherer gemacht werden. Hajo Z. dazu: „An jedem LKW sollte wenigstens ein Zusatzspiegel zur Überbrückung des 'toten Winkels‘ sein - nicht nur an denen ab zwölf Tonnen, wie es jetzt gesetzlich vorgeschrieben werden soll.

In nächster Zeit werde ein Bund-Länder-Ausschuß eine gesetzliche Vorschrift, die zu dieser Umrüstung zwingt, beraten, hieß es gestern aus der Verkehrsverwaltung. Der Referatsleiter der Verwaltung, Peltz, wies die Kritik des ADFC an der nach Club-Ansicht verfehlten Berliner Radverkehrspolitik zurück. Peltz: „Der Unfall in Charlottenburg hatte überhaupt nichts mit der fehlenden Sichtbeziehung zwischen Rad- und Autofahrern zu tun. Es geschah morgens um 6.45 Uhr, als an der Kreuzung für Fahrzeuge ein absolutes Halteverbot herrschte. Der Kreuzungsbereich werde im Herbst radfahrerfreundlich umgebaut.

thok

Eine 35jährige Radfahrerin ist am Donnerstag in der Clayallee in Zehlendorf von einem Lastwagen erfaßt und tödlich verletzt worden. Die Frau starb noch am Unfallort. Wie die Polizei weiter mitteilte, erlitt eine 47jährige Frau in Tempelhof schwere Verletzungen, als sie auf ihrem Fahrrad auf dem Tempelhofer Damm von einem einbiegenden Pkw angefahren wurde.

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