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Viel Rauch im Gedächtnis

■ Im Prozeß gegen den Steuerberater Kind wegen Versicherungsbetrug und Antiftung zur Brandstiftung können sich die Zeugen an den Tathergang erinnern

Kompliziert und schwierig gestaltet sich die Beweisaufnahme im Brandstiftungsprozeß gegen Wolfgang Kind und Werner Hildebrandt. Der Steuerberater Kind wird der Anstiftung zur Brandstiftung und des Versicherungsbetruges beschuldigt. Als seine rechte Hand soll Hildebrandt, ebenfalls der Anstiftung angeklagt, den eigentlichen Brandstifter im Eckhaus Lietzenburger/Pfalzburger 87 aufgerissen haben: Johannes Pöhlmann aber, der den polizeilichen Ermittlungen nach sein Zimmer in einer Pension im vierten Stock des Hauses angezündet haben soll, kam bei dem Brand durch einen Sturz aus der Balkontür ums Leben.

In der Nacht vom 27. auf den 28. März 1984 bemerkte ein Polizist, der mit Kollegen in der Gegend eine Kneipentour gemacht hatte, auf dem Nachhauseweg einen „Feuerschein“ in einem Zimmer der obersten Etage des Eckhauses. Im gleichen Moment, so der Polizist gestern vor Gericht, öffnete oben jemand von innen die Balkontür, „gestikulierte“, während hinter ihm schon „die Flammen schlugen“. Daraufhin habe er sich mit seinen Freunden Zugang zum Haus verschafft. Im vierten Stock stellte er „starke Rauchentwicklung“ fest.

„Mittels Fuß“ habe man zunächst die Wohnungstür, dann die Tür des Zimmers eingetreten, in dem man den Brand vermutete. Weil ihnen beim Öffnen der Tür Feuer entgegenschlug, begaben sie sich in die Nachbarwohnung, fanden dort ein Frau vor, die vom Rauch schon „benommen“ war, und stellten mit einem Blick aus dem Fenster fest, daß die „Person“, die sie von unten gesehen hatten, inzwischen auf dem Gehweg lag.

Weniger „löblich“ als den Rettungsversuch fand der Vorsitzende Richter das Erinnerungsvermögen zweier weiterer Polizisten, die an dem Rettungsversuch teilgenommen hatten. Während nämlich der erste Polizist genau wußte, daß die Haustür von einem zufällig ankommenden Bewohner aufgeschlossen wurde, fand sie Polizist 2 in seiner Erinnerung offen.

Unklar blieb nach den drei Aussagen die Brandentwicklung zur Zeit des Rettungsversuchs, aus der sich die Sachverständigen Aufschluß über die Brandstiftung (Fortzetzung auf Seite 16)

FORTSETZUNG VON SEITE 15

erhoffen. Polizist 1 sah in der Nachbarwohnung schon Flammen durch die Decke schlagen, Polizist 2 nur Qualm. Einig waren sie sich nur darin, daß ihnen im Treppenhaus niemand, und schon gar kein möglicher zweiter Brandstifter, entgegengekommen war, wie er nach dem Feuer durch die Springerpresse gegeistert war.

Noch trister stand es um das Gedächtnis von Enrico B., der damals Hauswartfunktionen von seiner Mutter übernommen hatte und regelmäßig nach den Dachböden zu sehen hatte. Von seinem Bruder war er in der fraglichen Nacht mit den Worten „es brennt“ geweckt worden und sofort nach einem Blick aus dem Fenster zu der Erkenntnis gelangt, dies sei „kein normales Feuer“.

Zwar hatte auch er von ungewöhnlichen Baumaßnahmen in den Tagen vor dem Feuer, als im Haus die Renovierungsarbeiten begannen, nichts bemerkt, doch waren die Qualitätsunterschiede zwischen seiner polizeilichen Vernehmung und der gestrigen Aussage so eklatant, daß Staatsanwalt Fätkinheuer auf einer Vereidigung des Zeugen bestand. Die Frage, ob ihm nach der polizeilichen Vernehmung mal jemand aus dem „Umfeld“ Wolfgang Kinds nahegetreten sei, verneinte B.

Schon am vergangenen Montag hatte Kind der Kammer plausibel zu machen versucht, daß ihm an einem warmen Abriß gar nichts liegen konnte. Das „Brandereignis“ habe nämlich dazu geführt, daß er „Verlustzuweisungen nicht in dem Jahr realisieren“ konnte, in dem sie geplant waren. Kind hat das Haus im heißen Teil der Lietzenburger Straße 1983 zusammen mit „Interessen aus dem Mandantenkreis“ für 7,7 Millionen zwecks „Instandsetzung“ gekauft. Die Möglichkeit, die Investition steuerlich absetzen zu können, überzeugte, so der Steuerfachmann und Antes-Freund, seine Geschäftspartner vom Sinn der Geldanlage. „Altbaumodernisierung und/oder Dachgeschoßausbau“, seien hier dank des Berlinförderungsgesetzes besonders rentabel. Nach dem Brand hatte er vor der Feuerversicherung banale 1,7 Millionen kassiert. Den Verdacht, das Feuer sei durch Brandstiftung entstanden, so schloß ein Hausbewohner, hörte er danach „bei jedem“. Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt.

wvb

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